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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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jemanden wie Hedy und Max hatte, die sich um mich kümmern und mir so etwas wie ein Zuhause geben konnten. Wenn ich nicht in einer Schule unterkäme, müsste ich zum Arbeitsdienst oder als Luftwaffenhelferin oder Ähnliches arbeiten. Dann könnte ich nicht mehr entscheiden, wohin ich wollte, dann gäbe es nur einen Weg. Und so konnte ich Mutter doch einigermaßen überzeugen. Für Sonntag hatten Weilers eine gemeinsame Dampferfahrt vorgesehen. Wir fuhren von Radebeul mit dem Raddampfer bis nach Meißen. Dort wollten wir das Mittagessen einnehmen, mit Mutter Meißen besichtigen und nach dem Kaffee zurückfahren. Das Wetter spielte mit, nur Helmut war arg anstrengend und ständig am Nörgeln oder Weinen. Er wollte unbedingt neben dem Kinderwagen laufen, aber der Fußmarsch nach Weinböhla war zu lang, schließlich mussten wir pünktlich an der Anlegestelle sein. Helmut ließ sich nicht einmal von mir beruhigen, und Else wies mich obendrein zurecht, ich solle dies lassen. Als er immer noch nicht aufgab, schrie sie Bruno an:
    »Dies ist deine Erziehung, in unseren Kreisen lernt man, sich zu benehmen, du scheinst allerdings davon nichts mitbekommen zu haben.«
    Für Mutter und mich war es äußerst peinlich, der Tag warf nun einen langen Schatten, es wollte keine fröhliche Stimmung mehr aufkommen. Es war schon zu spüren, dass Bruno Else gegenüber nicht mehr so aufmerksam war wie früher.

6

    Vor Mutters Besuch kam der Briefträger einmal gegen 8.00 Uhr früh. Else lag noch im Bett, ich machte gerade das Frühstück für Bruno, Helmut und mich und hatte den Tisch im Esszimmer gedeckt, als es an der Haustüre klingelte. Der Briefträger kam immer direkt vom Werksgelände und gab für uns die Post ab. Diesmal brachte er ein Einschreiben für Bruno, er musste an der Haustüre, die direkt neben der Schlafzimmertür lag, unterschreiben. Ganz aufgeregt ging er in das Herrenzimmer, um den Brief zu lesen. Kurz darauf kam er, sehr blass, zu mir mit der Bitte, seiner Frau nichts von diesem Brief zu erzählen. Aber was sollte ich nun Else sagen, wenn sie mich danach fragte? Dies überließ Bruno einfach mir und ging aus dem Haus, wahrscheinlich in sein Büro. Elses Rufen ließ auch nicht lange auf sich warten. Sie wollte wissen, wer so früh an der Tür geklingelt hatte. Ich konnte noch gar nicht richtig darüber nachdenken, doch dem Himmel sei Dank, spontan sagte ich zu Else, dass jemand aus dem Betrieb ihren Mann gebeten hätte, er möge doch sofort kommen, was er auch tat. Neugierig war ich auch, was für ein Brief Bruno so aus der Fassung gebracht hatte. So hatte ich ihn noch nie gesehen.
    Beim Mittagessen nutzte ich die Gelegenheit, als ich in der Küche den Kaffee holte, schnell in Brunos Jackett zu greifen, das im Flur an der Garderobe hing. Wie konnte ich nur, was hatte ich mir dabei gedacht? Es war nichts zu finden, aber so viel war mir auch klar, es musste schon etwas ganz Persönliches und Wichtiges sein. Doch dies sollte ich erst lange nach Kriegsende erfahren.
    An diesen Vorfall erinnerte ich mich plötzlich, als Else so heftig wegen Helmut mit Bruno stritt. Trotz der peinlichen Szene und der darauffolgenden Gedanken an jenen Brief konnten Mutter und ich im Laufe des Tages den Ausflug noch genießen. Mutter versprach ich fest, dass uns solche Szenen bei ihrem nächsten Besuch, wo immer ich dann auch sein würde, nicht mehr das Beisammensein verderben sollten. Bis dahin wäre ich auch schon wieder etwas älter, würde mich mit allem besser auskennen und wir könnten dann selbst disponieren. Diese Gedanken machten mich erwachsener, und ich freute mich schon auf den Zeitpunkt, ab dem ich selbst für mich entscheiden durfte.
    Noch einmal unternahmen wir mit Weilers einen Ausflug, diesmal nach Moritzburg. Wir waren den ganzen Tag unterwegs, aber er war trotz allem erholsam und machte uns viel Freude.
    Mutters Abschied rückte immer näher. Noch einmal waren wir bei Hedy und Max und tranken mit ihnen Kaffee. Für Mutter und mich war von Vater aus Hamburg ein Brief angekommen. Er bedauerte noch einmal, dass er nicht kommen konnte. War es so oder täuschte ich mich: in Mutters Augen glaubte ich, ein Leuchten gesehen zu haben, das dann aber einer Traurigkeit wich, die nicht zu übersehen war. Sie sagte mir zwar auf dem Heimweg, als ich sie drauf ansprach, dass sie immer daran denke, in wenigen Tagen von mir Abschied nehmen zu müssen. Aber sie könnte inzwischen verstehen, dass ich gerne hierbleiben wollte.

    Es war zu

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