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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Allerdings hörte ich ihn auch nicht nach Hause kommen.
    Bis spätestens Donnerstag erwarteten wir Else zurück. Einerseits war ich froh darüber, andererseits konnte ich während ihrer Abwesenheit alles selbst einteilen und musste nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Zwei Tage vor Elses Heimkehr klingelte es gegen 14.00 Uhr am Haustor, Helga meldete sich. Schon vor den Schulferien hatte ich sie nicht mehr gesehen, deshalb war meine Überraschung besonders groß. Ich holte sie am Gartentor ab, nahm sie mit ins Haus, wo wir uns erst einmal schweigend ansahen. Dann aber sprudelte es aus uns heraus. Ich sagte ihr, dass ich mich sehr freue, sie zu sehen. Seit Tagen stand mir das Weinen näher als das Lachen, es war eine willkommene Abwechslung. Sie hatte mich einmal mit Mutter auf dem Bahnsteig gesehen, als wir nach Dresden fuhren. Sie fragte:
    »Wolltest du nicht lieber mit deiner Mutter zurück zu deinen Angehörigen fahren?« Mein Herz sagte Ja, es wünschte sich in die Nähe der Großeltern und Freunde. Aber das Leben ist nicht nur Balsam, es fordert oft Entscheidungen, die sich erfahrungsgemäß erst viel später als richtig oder falsch erweisen. Die Antwort blieb ich Helga schuldig. Nun überfiel ich sie mit Fragen, weshalb sie die ganzen Wochen nicht mehr in der Schule gewesen war.

    »Hast du keine Bedenken, dass du in einen Rüstungsbetrieb musst?«
    »Aber nein«, winkte sie lächelnd ab, »ich werde nächsten Monat heiraten.« Zunächst glaubte ich, es sei ein Scherz, aber es war ihr voller Ernst.
    »Dann erzähl doch mal, was sich so alles ereignet hat«, forderte ich sie auf. Dann kam ihr Geständnis, dass sie sich heimlich mit ihrem Soldaten von jenem Sonntag in Dresden getroffen hatte. Zwei Monate seines Aufenthaltes genügten für die beiden, um eine Entscheidung zu treffen. Dann nahm er seinen Heimaturlaub, und sie fuhren zu seinen Eltern nach Nauenburg. Er stellte sie als seine Braut vor und verkündete gleichzeitig, dass sie ein Kind erwarteten und deshalb so schnell wie möglich heiraten wollten. Deswegen sei sie jetzt nach Niederau gekommen, um die Papiere zu besorgen. Heiraten wollten sie bei seinen Eltern. Er bekäme dafür einen Sonderurlaub.
    »Dann bist auch du nicht mehr für mich erreichbar«, meinte ich ein bisschen traurig und schlang die Arme um sie.
    »Ja, so ist es wohl«, bejahte Helga und nahm mich bei der Hand. »Wohin gehst du, wenn deine Zeit bei Weilers zu Ende ist?«, fragte sie mich.
    »Es ist alles schon besprochen«, teilte ich ihr mit. »Ich werde in Dresden auf eine private Handelsschule gehen und vorerst bei Familie Descher wohnen. Es muss sich eben erst alles einspielen. Vielleicht gibt es auch eine Möglichkeit, in Dresden zu wohnen, und, je nach Abschluss, kann ich vielleicht auch hier arbeiten.« Helga versprach, mich auf dem Laufenden zu halten und mich bestimmt, solange ich in dieser Gegend sei, auch zu besuchen. Aber ich sei auch bei ihnen herzlich willkommen, wenn sie erst eingerichtet waren. Auf alle Fälle wollten wir uns nicht mehr aus den Augen verlieren. Wir gaben uns ein gegenseitiges Versprechen und glaubten auch daran, es irgendwann einlösen zu können. Auf dem Weg zum Gartentor wurde es mir dann doch etwas bang: immer hieß es nur Abschied nehmen und nie wusste man, ob es irgendwann einmal ein Wiedersehen geben würde. Wir verabschiedeten uns wie Schwestern, einander alles Gute wünschend; viel Glück für ihr Kind gab ich mit auf den Weg.
    Wir haben uns nie mehr gesehen.

    Wie besprochen, kam Else am Donnerstag zurück. Helmut und ich kamen von unserem Nachmittagsbesuch von Deschers, als Else uns an der Haustür empfing. Sie musste gehört haben, dass ich Helmuts Sportwagen die fünf Stufen herauf balancierte und Helmut plappernd hinterherkam. Der Kleine begrüßte seine Mutter freudig und vergaß ganz, dass ich noch anwesend war. Irgendwie fühlte ich mich matt und lustlos, am liebsten hätte ich mich jetzt in mein Zimmer verkrochen und die ganze Welt vergessen. Aber Else hatte so vieles zu erzählen. Ich hörte ihr gespannt zu. Was sie selbst zu sehen und zu hören bekommen hatte, musste ziemlich schrecklich gewesen sein. Ihr Onkel bekam für seinen selbstlosen Einsatz nach den Bombenangriffen eine hohe Auszeichnung, aber meine Gedanken gingen plötzlich andere Wege. Was passierte hier, wenn plötzlich die Rütgers Werke angegriffen wurden? Wir wohnten mittendrin. Lieber nicht daran denken, einfach abwarten, es war gerade schon genug passiert.

    Else brachte

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