Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Besuchern die Bemerkung:
»Ach, zum Glück habt ihr wenigstens das Mädchen, das so oft bei euch ist. Dann seid ihr nicht so alleine.« Als ob ich ein Ersatz wäre für den eigenen Sohn! Gewiss, ich würde alles versuchen, um ihre Schmerzen zu lindern und ihnen ein wenig Freude zu bereiten. Ob es gelang, würde sich erst später zeigen.
Immer gab es neue Nachrichten, man kämpfte um jeden Tag. Angst war nun unser täglicher Begleiter. Wohin nur führte unser Weg? Max stand wieder am Gartentor, wenn auch nicht strahlend, so war ihm doch anzusehen, dass er sich freute, wenn er Helmut und mich kommen sah. Unsere Besuche konnten wir nicht mehr lang ausdehnen, denn es dunkelte schon sehr früh. Ich war einfach zu ängstlich, den Weg mit Helmut bei Dunkelheit zu gehen. Else schien es ähnlich zu gehen, sie bat mich dringend, früher loszugehen und zuerst bei Deschers vorbeizuschauen und erst dann Helmut abzuholen, dadurch kamen wir früher nach Hause.
Auf den Straßen war es Nacht. Alles war dunkel, keine Lampen brannten. Ehe in den Häusern das Licht eingeschaltet wurde, mussten dunkle Rollos heruntergezogen werden. Es galt die strikte Verdunkelung.
Hedy packte mir ab und zu Obst oder Gemüse ein, einmal sogar ein Hühnchen. Sie wollte sich auf diese Weise dafür bedanken, dass ich täglich bei ihnen vorbeischauen durfte. Nun schien es als sei Hedy die stärkere von beiden, jedenfalls nach außen. Sie reagierte wieder bewusst und nahm an allem teil. Max dagegen sah müde und krank aus, er schlief wenig und war sehr unruhig. Die Sonntagnachmittage verbrachte ich bei Max und Hedy, machte Schulaufgaben oder beriet Hedy beim Pulloverstricken. Sie hatte in Meißen auf die Kleiderkarte Wolle ergattert und wollte Max einen Pullover stricken. Ich versprach, ihr dabei zu helfen. In einigen Wochen ging auch das Schuljahr dem Ende entgegen. Ich machte mir Sorgen darum, ob Else mich drei Monate früher aus meinem Vertrag entlassen würde. Aber wie so oft, löste sich dieses Problem von selbst, wenn auch anders als gewünscht.
Else gab mir ab Samstagmittag frei. Sie meinte, ich könnte auch über Nacht bei Deschers bleiben, also bis Sonntagfrüh. Dies war eine gute Gelegenheit für mich, wieder einiges einzupacken und mitzunehmen. Schon nach dem Mittagessen machte ich mich auf den Weg, darauf achtgebend, dass ich nicht mit der großen Tasche gesehen wurde.
Der weite Fußmarsch, die schwere Tasche: diesmal war es mir schwergefallen, obwohl es sonst immer unproblematisch war. Bei Deschers angekommen, stand mir der Schweiß auf der Stirn.
»Mein Gott«, sagte Hedy, »Mädel, sag, hast du dir soeben die Haare gewaschen?« Ich musste mich einfach hinsetzen. Die beiden kümmerten sich um mich, ihre erste Vermutung war, die Schwäche könnte vom Hunger kommen. Nein, ich wollte eigentlich nur ein bisschen verschnaufen. Max kochte Tee, Hedy machte mir das Bett in dem kleinen Wohnzimmer zurecht.
»So haben wir dich in der Nähe und können uns um dich kümmern«, meinten sie. Wenig später stellte sich Fieber ein, ich war völlig apathisch. Die Umgebung nahm ich nicht mehr wahr, sichtlich froh, liegen zu können und alles um mich her zu vergessen.
Max brachte es fertig, einen Arzt zu holen, der unterhalb des Dorfes eine Praxis hatte. Mir wurden Fragen gestellt, so viel begriff ich, aber antworten konnte ich nicht. Ich konnte spüren, wie ich abgetastet wurde, etwas Kaltes auf meiner Brust störte mich. Das kleine Licht, das in meine Augen drang, machte mir Angst. Ich wollte aufspringen.
»Schön liegen bleiben«, hörte ich eine fremde Stimme, »es ist alles gut. Es gibt jetzt nur noch einen kleinen Piks.« Von dem Gespräch bekam ich wenig mit, nur so viel, dass der Arzt sagte, er käme am nächsten Tag wieder, man solle mich auf keinen Fall aufstehen lassen. »Alles andere sehen wir morgen. Wenn sich ihr Zustand nicht bessert, müssen wir sie in das Krankenhaus einweisen.« Gegen das Fieber ließ er Medikamente da und verordnete viel Flüssigkeit. Was mache ich nur für Umstände, dachte ich. Was, wenn ich in ein Krankenhaus muss, wer kümmert sich um mich? Ich konnte das doch Hedy und Max nicht zumuten. Die beiden lösten sich in der Nacht an meinem Bett ab. Sie sorgten dafür, dass ich viel trank. Hedy kontrollierte öfter das Fieber. Gegen Morgen, Max saß mir gegenüber in einem Sessel, fing ich in meiner Not an zu weinen.
»Max, was soll das werden, ich weiß nicht, ob ich es noch einmal schaffe bei Weilers. Ich bin den
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