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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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am Abend Helmut selbst zu Bett, worüber ich sehr froh war. Ich deckte gerade den Abendbrottisch, als Bruno nach Hause kam, und ich nutzte die Gelegenheit zu erklären, dass ich mich nicht sehr wohlfühlte und lieber gleich zu Bett ginge. Dies kam den beiden sicher gelegen, so konnten sie sich ungestört unterhalten. Vielleicht hatte Bruno auch einiges zu berichten?
    Am Freitagmorgen brachte Else Helmut in den Kindergarten, das Abholen sollte ich übernehmen. Else hatte anschließend eine Visite bei der Gattin des Direktors in der anderen Haushälfte. Punkt elf Uhr ging sie aus dem Haus, gekleidet mit einem kleinen Sommerfuchscape, das sie kürzlich, so hatte ich mitbekommen, gegen was-weiß-ich eingetauscht hatte. Ihre Haare hatte ich, zum Glück ihren Ansprüchen gerecht werdend, aufgesteckt. So ging sie also voll zufrieden ihren Besuch abstatten. Mir blieb, wie immer, den täglichen Ablauf zu bewältigen. Dabei gestand ich mir ein, dass ich mich wieder auf die Schule freute. Wenn ich bis zum Herbst hier meine Lehre beenden könnte, dann wäre ich in der neuen Schule täglich wieder mit anderen jungen Menschen zusammen, könnte mich über vieles unterhalten und sicher auch mal verabreden, einen Bummel machen und einiges mehr. Hier hatte ich außer zweimal wöchentlich in der Schule keine Verbindung mit Gleichaltrigen. Die Tage waren immer voll ausgefüllt mit Hausarbeiten, Lernen und Handarbeiten, die ich als Ausgleich empfand. Für Helmut strickte ich aus Wollresten Pullover, häkelte ihm aus dicker Wolle, die Else aufgetrieben hatte, einen Wintermantel mit Mütze, stickte ihm in seine Hemdchen ein Monogramm, worauf er sehr stolz war. Für mich selbst blieb wenig Zeit.

    Schon freute ich mich auf den Weg am Nachmittag, um Helmut abzuholen. Lange konnte ich mich nicht bei Hedy und Max aufhalten, aber vielleicht gab es etwas Neues, vielleicht war auch Post von Vater angekommen. Und so war es tatsächlich. Allerdings war die Nachricht nicht für mich, sondern für Hedy und Max, eine sehr traurige Botschaft.
    Als ich an Deschers Haus vorbeilief, war alles sehr ruhig. Mein Weg führte erst zum Kindergarten und auf dem Rückweg durch das Gartentor in den Hof. Meist warteten Hedy oder Max schon auf uns, aber heute? Ich hatte ein Gefühl, als würde mir jemand eine Faust in den Magen bohren. Keiner wartete auf uns, aber das Gartentor stand auf und die Haustür ebenfalls. Ich bat Helmut, ruhig sitzen zu bleiben, als ich lautes Weinen und Klagen vernahm, das herzzerreißend klang. Ich versprach Helmut, gleich wiederzukommen, ich wolle nur einmal nach Tante Hedy schauen, die so sehr weinte.
    »Dann fahren wir auch gleich nach Hause.«

    Das Weinen kam vom ersten Stock. An der Treppe sah ich Max, wie er Hedy im Arm hielt, sie wiegte wie ein kleines Kind und ganz leise auf sie einsprach. Sie standen vor Erichs Schlafzimmertür. Bei dem Anblick wurden meine Knie ganz weich. Ich ging einfach zu ihnen, schlang meine Arme um sie, weinte mit ihnen, obwohl ich nur erahnen konnte, was der Grund für diese grenzenlose Trauer sein könnte. Max sah mich tränenüberströmt an, streichelte meine Wange und sagte einfach nur:
    »Er ist gefallen.« Noch eine Weile blieben wir so stehen und weinten zusammen. Helmut rief nach mir und ich erklärte Max, dass ich Helmut schnell nach Hause bringen und dann wiederkommen würde. Wie ich den Weg zurück fand, so aufgelöst, wie ich war, weiß ich nicht. Ich versuchte, Helmuts Fragen zu beantworten. Am meisten beschäftigte ihn Hedys erschütterndes Weinen. Als er gar keine Ruhe gab, sagte ich zu ihm:
    »Wenn wir zu Hause sind, erzählen wir das deiner Mama. Sie kann dir das bestimmt besser erklären als ich.« So war er zufrieden, und ich konnte den Rest des Weges einfach schweigen. Kaum angekommen, rannte Helmut los, rief nach seiner Mutter und erzählte ihr aufgeregt, dass Tante Hedy weinte.
    »Was ist los, Kindchen?«, fragte Else und sah mich durchdringend an.
    Mit wenigen Worten teilte ich ihr mit, was geschehen war. Es war alles wie blockiert bei mir. Das Bild, wie die beiden umschlungen und weinend beisammen standen, lähmte mich buchstäblich. Else nahm Helmut und bat ihn, mal ganz lieb zu sein und in seinem Zimmer zu warten, sie käme gleich zu ihm, um zu erklären, warum Tante Hedy so geweint hatte. Mich nahm sie bei der Hand, setzte mich auf einen Stuhl.
    »Sicher können Deschers jetzt ein bisschen Unterstützung gebrauchen. Wie wäre es, wenn du dir Nachtzeug einpackst und zu ihnen

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