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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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die Schule in Dresden besuchte.

    *

    Es sollte eine Gegenüberstellung stattfinden. Else wurde aufgefordert, sich darüber zu äußern, wieso es zu der eklatanten Erschöpfung ihrer Schutzbefohlenen kommen konnte. Ein Treffen mit Else blieb mir erspart. Hedy übernahm diesen Termin mit der Begründung, dass ich vor dem neuen Schulantritt meine Eltern noch besuchen wollte. Während meiner Krankheit und in der Erholungsphase merkte ich, dass ich unabhängiger geworden war. Ich fühlte mich erwachsen und nahm mir fest vor, meine Angelegenheiten selbst zu regeln, soweit es bis zur Volljährigkeit möglich war.

    Kurz bevor ich meine Reise nach Hause antreten wollte, bekam ich Post von Florian Schröder, meinem Frontsoldaten. Er stellte in Aussicht, dass er einen Monat Fronturlaub bekomme, und schlug ein Treffen vor. Wenn ich es auch wünschte, sollte ich ihm umgehend mitteilen, wann und wo wir uns im Monat September 1943 treffen könnten. Dies wäre sein Herzenswunsch. Meine Antwort bekam er, nachdem ich mit Erna brieflich vereinbart hatte, dass wir uns in der zweiten Septemberhälfte in Chemnitz treffen könnten. Der Ort lag für uns beide etwa auf halbem Weg. Außerdem bot Erna mir an, ein paar Tage bei ihr zu bleiben, ehe ich wieder nach Niederau führe. Ich sollte ruhig ihre Adresse in Chemnitz angeben, damit wir uns nicht verfehlten.

    So geschah es, auf dem Rückweg nach Dresden wollten wir uns am 20. September in Ernas Wohnung treffen. Auf der Fahrt zu meinen Angehörigen wollte ich ab Leipzig den Zug bis Kassel, dann via Basel nehmen. In dem Zug wurden Kontrollen durchgeführt und der Zug wurde verplombt, damit niemand an der Grenze abspringen konnte. Dies gab oft Verzögerungen im Fahrplan, was sich auf der Rückfahrt nicht so stark auswirkte. Die Schnellzüge hielten dann erst in Freiburg, und bis dahin waren die Kontrollen durch, die Züge entplombt.

    Es gab nun zu planen, zu überlegen. Meine Vorfreude war riesengroß. Wenn die Fahrt auch sehr anstrengend sein würde, erholen konnte ich mich bei meinen Angehörigen. Ich malte mir aber auch aus, wie das Treffen mit Florian in Chemnitz ausfallen würde, und vor allem würde ich Erna wiedersehen. Vater könnte ich ja auch noch das kommende Jahr besuchen. Dann wollte ich aber bei Lisa und ihrem Mann in Neugraben wohnen.

    Sehr enttäuscht war ich von Else. Sie hatte Hedy, als diese meine restlichen Sachen von Weilers abholte, zu verstehen gegeben, dass sie über die Entscheidung aus Meißen sehr verärgert, mein Verhalten unmöglich und sicher alles ein abgekartetes Spiel gewesen sei. Sie, Else, hätte sich alle Mühe mit mir gegeben, mich wie eine eigene Tochter behandelt. Das sei nun der Dank! Zum Glück sei die Möglichkeit gegeben, dass wir uns aus dem Weg gehen und nicht mehr sehen müssten. Das war bitter für mich. Anfangs war ich noch überzeugt, die Schuldige zu sein, weil ich der Familie Unannehmlichkeiten bereitet hatte. Aber Hedy und Max sahen das anders, auch der Arzt zeigte kein Verständnis und meinte, diese Reaktion zeigten nur Menschen, die wirklich die Grenzen überschritten hätten. Erna tröstete mich, als ich sie im September besuchte.
    »Nur wer Else kennt, weiß, was sie von ihren Schützlingen fordert.« Erna war zu ihrer Zeit bei Weilers 22 Jahre alt, viel kräftiger als ich und sie konnte sich, wie sie sagte, wehren, indem sie Else klarmachte, dass sie eine Haushaltslehre bei ihr mache, erwachsen sei und auf keinen Fall ihr Dienstmädchen. Sie sähe sonst keine Notwendigkeit zu bleiben. Dies beruhigte mich doch sehr und machte mir klar, dass es auch bei mir hätte Grenzen geben müssen. Mein Alter von 15 Jahren bei Beginn der Lehre hätte berücksichtigt werden müssen und schließlich waren fünf Reichsmark im Monat kein hinreichender Grund für Ausnutzung. So war nun das Kapitel Else und Bruno Weiler abgeschlossen. Helmut tat mir leid. Er hatte an mir gehangen und, wenn er mal krank war oder einen schlechten Tag hatte, nach Edithlein statt nach seiner Mutter gerufen. Doch Else hatte sich dagegen gewehrt. Sie hatte sogar einmal gemeint, dass nicht sein Edithlein, sondern sie, seine Mutter, für ihn zuständig wäre und er hätte ihr einfach zu gehorchen.

    Oft, wenn ich auf dem Bahnsteig in Niederau stand, um in die Schule zu fahren, und auf das Haus gegenüber starrte, hoffte ich im Stillen, den kleinen Jungen zu sehen. Ihm vielleicht heimlich winken zu können. Aber ich bekam Helmut nie mehr zu Gesicht.

    Erst viele Jahre nach dem

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