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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Krieg, als Hedy uns im Westen besuchte, erfuhr ich von ihr, dass sich Bruno vor Kriegsende nach Ludwigshafen versetzen ließ. Er hatte mit der Krankenschwester von seinem Aufenthalt in der Klinik ein Kind und wurde von Else geschieden. Aber Helmut war der wirklich Leidtragende. Else war ihm nicht mehr gewachsen. So kam er in eine Erziehungsanstalt. Das Rätsel des Einschreibebriefes war wohl damit gelöst.

    Mein Koffer war gepackt. Es war ein sehr leichter aus buntem Segeltuch, den Hedy mir borgte. Er hatte Erich gehört. Erst sträubte ich mich dagegen, doch Hedy meinte mit Recht, dass alles so leichter für mich zu tragen wäre. Max brachte mich dann gegen 18 Uhr zum Bahnhof Niederau. Von da fuhr ich bis Leipzig. Dort musste ich umsteigen in einen Zug nach Kassel, ab Kassel bis Basel. Es war die beste Zugverbindung, die ich bekam. Allerdings war es eine Nachtfahrt. Aber ich freute mich darauf, meine Angehörigen zu sehen und dann zu wissen, wie es meinen Großeltern ging.

    Dass die Bahnfahrt für mich einen schweren, nicht wieder gut zu machenden Verlust bringen sollte, war nicht vorauszusehen. In Leipzig angekommen, fiel mir auf, dass die Bahnsteige auffallend leer waren. Laut Plan hatte ich 45 Minuten Zeit bis zur Weiterreise. Den geborgten Koffer stellte ich rechts neben mich und verglich meine Armbanduhr mit der Bahnhofsuhr. In meiner Umhängetasche verwahrte ich das Geld, meine Fahrkarte, den Schulausweis (galt dieser doch auch als Personalausweis) und sonstige Kleinigkeiten wie Taschentuch, Kamm etc. Meine Lebensmittelkarten hatte ich zwischen den Kleidungsstücken im Koffer verborgen. Eine ganze Weile stand ich so fast alleine, nur wenige Menschen waren zu sehen. Ein Mann stand rauchend auf demselben Bahnsteig und schaute des Öfteren auf seine Uhr, ohne sich sonst zu bewegen. Er sah nicht einmal in meine Richtung. Eine Durchsage, die sehr undeutlich klang, ließ mich gespannt den Kopf nach links drehen, um alles zu verstehen. Dabei bemerkte ich nichts, erst, als ich den Kopf umwandte und nach meinem Koffer sah, war er weg. Ich rannte die Treppen hinunter, um vielleicht jemanden mit meinem Koffer zu erblicken. Die diversen Aufgänge zu den vielen Bahnsteigen machten mir deutlich, dass ich keine Chance hatte. Der Schreck saß tief. Ich dachte als Erstes an Erichs Koffer. Die Enttäuschung bei Hedy konnte ich in ihrem Gesicht deutlich sehen, den Schmerz, der in ihr wieder hochkommen musste. Dies nahm derart von mir Besitz, dass mir erst, als ich schon im Zug saß, bewusst wurde, dass ich, wenn ich nach Hause kam, überhaupt nichts mehr anzuziehen hatte. Keine Wäsche, kein Kleid, die kleinen Geschenke für die Großeltern und für meine Mutter. Alles war weg, unwiederbringlich weg – gestohlen. In einem vollen Abteil, ich stand im Durchgang, mich am Fenstergriff festhaltend, saß ein etwas älterer Mann. Er schob die Abteiltür zurück und lud mich freundlich ein, in das Abteil zu kommen. Er meinte, dass ein solcher ›Schmalhans‹ wie ich noch gut dazwischen Platz hätte. So saß ich zwischen zwei Männern. Eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Schoß saß am Fenster. Sie alle rückten etwas zusammen. Wie dankbar ich dafür war, mussten die Mitreisenden wohl gemerkt haben, ebenso, wie erschöpft ich war. Der ältere Herr fragte mich, wohin ich reisen wollte. Ich erzählte, dass ich an der Schweizer Grenze in Richtung Säckingen zu Hause sei und nun nach fast zwei Jahren endlich meine Angehörigen besuchen wolle.
    »Aber Mädchen, sag mal, hast du kein Gepäck?« Ich hatte Gepäck gehabt, oh ja, ich hatte! Tränen stiegen mir in die Augen, und dann erzählte ich von dem Geschehen. »Hast du deine Fahrkarte, Ausweis, usw.?«
    »Ja«, sagte ich, öffnete meine Tasche, zog meinen Ausweis heraus und zeigte ihn. Der ältere Herr studierte ihn und meinte schließlich:
    »Na, da hast du aber noch eine Reise vor dir. Hast du wenigstens noch Lebensmittelkarten?«
    »Nein«, war meine Antwort, diese waren ja in meinem Koffer. Es war unbeschreiblich rührend, wie nach und nach alle sechs Mitreisenden versuchten, mich zu trösten. Drei der Fahrgäste hatten Brotmarken dabei und gaben sie mir. Es war sogar eine Fleischmarke für 100g Fleisch oder Wurst dabei. Widerspruch wurde nicht geduldet. Etwas später gab mir jeder von seinem Reiseproviant ab. Brot, einen Apfel, die junge Mutter am Fenster gab mir sogar eine Banane. Für Kleinkinder gab es ab und zu solche Sonderzuteilungen, aber dies war selten. Bei all der

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