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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Aufmerksamkeit und den tröstenden Worten vergaß ich jedenfalls nach und nach meinen Kummer. Obwohl die ganze Aufregung mir auf den Magen geschlagen war. Die Reise wollte kein Ende nehmen. Oft hielt der Zug auf freier Strecke, dann ging es mal wieder weiter.

    Am anderen Tag, so gegen 23 Uhr, stand ich mit leeren Händen in der Kaminfegerstraße 14 und rief zum Schlafzimmerfenster meiner Mutter lauthals hinauf:
    »Mariechen!« Als mich Mutter auf mein Rufen hin an der Haustüre in Empfang nahm, war die erste Frage nach meinem Gepäck. Erst glaubte sie, mich falsch verstanden zu haben, doch meine große Ermüdung hielt sie davon ab, weiterzufragen.
    »Komm«, sagte sie, »ich habe Suppe für dich, die schnell warm gemacht ist und dir bestimmt guttut. Großmutter hat für dich etwas Weißbrot gebracht. Dann legst du dich in dein Bett. Es ist alles hergerichtet und morgen schläfst du dich aus.« Mutter musste um sechs Uhr früh in der Fabrik sein, hatte also um 14 Uhr Feierabend. So hätten wir am Nachmittag füreinander Zeit.
    Es tat gut, verwöhnt zu werden und die vergangenen Wochen einfach abzuschütteln. Aber neue Sorgen tauchten auf. Wie bekam ich etwas zum Anziehen? Hatte ich mir doch extra mein schönstes Kleid eingepackt, für das Treffen mit Florian. Dies hatte ich in Weinböhla erstanden, für sehr viele Punkte von der Kleiderkarte. Es war dunkelblau, hatte einen lachsfarbenen Bubikragen und an den langen Ärmeln ebensolche Manschetten. Nur für besondere Anlässe wollte ich es anziehen. Ich war so stolz darauf. Dies alles schwirrte in meinem Kopf herum und verzögerte, trotz Müdigkeit, das Einschlafen. Ob Großmutter einen Rat wusste?
    Als ich am späten Vormittag an den vertrauten Gärten entlanglief, um vom Garten der Großeltern zur Haustüre zu kommen, hatte Großvater mich schon kommen sehen. Er rief mir zu:
    »Na, Hansli, da bist du ja wieder. Wir haben dich vermisst, Großmutter und ich. Vor allem habe ich es vermisst, deine Schuhe zu kontrollieren, ob die Nägel noch alle in der Sohle stecken und ob deine Schuhspitzen schon wieder fast durchstoßen sind. Ach, einfach alles, ganz besonders, wenn du mir heimlich mein Weißbrot weggenommen hast und meintest, du wolltest doch nur mal eben reinbeißen. Ach, war das doch schön!«

    Großmutter stand mit Schürze unter der Haustüre, nahm mich in den Arm, ohne Worte. Miriam war auch da. Sie musste sich immer dienstbereit halten für örtliche Einsätze. Um als Krankenschwester an der Front eingesetzt zu werden, war sie nicht mehr genügend belastbar. Sie hatte sich in der Zeit beim Arbeitsdienst Gelenkrheuma zugezogen. Daher war sie frontuntauglich. Nun kam das Erzählen an die Reihe und als Erstes mein abhanden gekommener Koffer. Oh Gott, was war da nur zu tun? Es gab kein langes Überlegen. Oma hatte immer Stoffreste gesammelt. Miriam ebenso von ihren Kunden. Aus drei mach eins – so ungefähr hieß das Motto. Meine Tanten waren sämtlich benachrichtigt, dass ich in etwa dann und dann zu Besuch käme. Tante Nina kam sowieso täglich bei den Großeltern vorbei. So traf ich sie schon am ersten Nachmittag in der Siedlung an. Ihr Mann, Onkel Stephan, war an der Front. Tante Nina wurde von Onkel Stephan sehr verwöhnt. Sie spielte gerne krank. Wir hatten alle so die Vermutung, wenn sie von einer Krankheit hörte, die sie noch nicht hatte, dann bekam sie diese umgehend und wusste auch viel darüber zu erzählen. Sofort legte sie sich nieder und ließ sich von ihrem Mann das Frühstück ans Bett servieren. Später wurde sie von Onkel Stephan liebevoll in einen Sessel gesetzt und schön mit einer Decke zugedeckt. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Nun war sie alleine. Sie erkrankte nicht mehr so oft, weil Großmutter ihr mal zu verstehen gegeben hatte, dass sie sich versündigen würde damit, immer die Kranke zu spielen.
    Sie bot mir gleich an, dass ich bei ihr schlafen könnte. Wir könnten uns doch vieles erzählen wie früher und dabei lachen. Aber nach Lachen war es mir noch nicht so recht zumute. Musste ich mir doch erst einmal etwas zum Anziehen organisieren. Nina nahm mich später mit zu sich nach Hause und kramte in ihrer Wäscheschublade, versorgte mich fürs Erste mit Unterwäsche und zwei Nachthemden. Ich versprach ihr fest, dass ich jede zweite Nacht bei ihr schlafen würde, solange ich hier war.

    Die Tage vergingen, ausgefüllt mit Erzählen, gemeinsamen Essen und Anproben. Miriam und Großmutter nähten für mich um die Wette. So bekam

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