Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
ein Türchen in dem Gerät zur Seite, drehte einige Knöpfe, hörte eine Abschirmung summen, die das Zimmer blockierte.
»Geheimhaltung gesichert«, sagte er.
Das gleißende Licht erlosch, und ein Mann saß ihm gegenüber. Ein Mann, den er oft im Fernsehen, auch in seiner Tageszeitung gesehen hatte.
Henderson, der Präsident des Weltkomitees.
»Clayborne hat mich angerufen«, sagte Henderson.
Webster nickte stumm.
»Er behauptet, dass Sie sich weigern, zum Mars zu fliegen.«
»Ich habe mich nicht geweigert«, erwiderte Webster. »Als Clayborne abschaltete, war die Frage noch offen. Ich hatte ihm erklärt, dass es mir unmöglich sei, aber damit fand er sich nicht ab, er schien es nicht zu begreifen.«
»Webster, Sie müssen fliegen«, sagte Henderson. »Sie sind der einzige Mensch, der das nötige Wissen hat, um diese Operation auszuführen. Wenn die Operation einfach wäre, könnte sie auch ein anderer machen. Aber nicht diese.«
»Das mag ja sein«, sagte Webster, »aber …«
»Es handelt sich nicht nur darum, ein Leben zu retten«, erklärte Henderson. »Auch wenn es um das Leben einer so bedeutenden Persönlichkeit wie Juwain geht. Es steht viel mehr dabei auf dem Spiel. Juwain ist Ihr Freund. Vielleicht hat er Ihnen Hinweise auf seine Entdeckung gegeben.«
»Ja«, sagte Webster. »Ja, das hat er. Eine neue Philosophie.«
»Eine Philosophie«, ergänzte Henderson, »die wir nicht entbehren können. Eine Philosophie, die das Solarsystem umgestalten und die Menschheit im Laufe von zwei Generationen um hunderttausend Jahre vorwärtsbringen wird. Ein neuer Weg zu einem Ziel, das wir bislang nicht einmal erahnt, von dessen Wichtigkeit, von dessen Vorhandensein wir nichts gewusst haben. Eine völlig neue Erkenntnis, verstehen Sie. Eine, hinter die bisher noch niemand gekommen ist.«
Websters Hand umklammerte die Tischplatte, bis seine Knöchel weiß hervortraten.
»Wenn Juwain stirbt«, sagte Henderson, »stirbt dieses Konzept mit ihm. Es könnte auf ewig verlorengehen.«
»Ich werde mich bemühen«, flüsterte Webster. »Ich werde es versuchen …«
»Mehr können Sie nicht zusichern?«, fragte Henderson eisig.
»Mehr nicht.«
»Aber Sie müssen doch einen Grund haben, Mann! Irgendeine Erklärung.«
»Keine, die ich darlegen möchte«, erwiderte Webster.
Er griff nach der Taste und schaltete das Gerät ab.
Webster saß am Schreibtisch und starrte seine Hände an. Hände, die geschickt waren, die Wissen besaßen. Hände, die ein Leben retten konnten, wenn er sie auf den Mars bringen konnte. Hände, die für das Sonnensystem – für die Menschheit, für die Marsbewohner – eine Idee, eine neue Idee bewahren konnten, die sie in den beiden nächsten Generationen hunderttausend Jahre voranbringen würde.
Aber auch Hände, durch eine Angst gefesselt, die aus diesem stillen Leben erwachsen war. Dekadenz – eine seltsam schöne und tödliche Dekadenz.
Der Mensch hatte die übervölkerten Städte, die Zufluchten, vor zweihundert Jahren aufgegeben. Er war fertig mit den alten Gegnern und den uralten Ängsten, die ihn an ein gemeinsames Lagerfeuer gefesselt hatten, hatte die bösen Geister hinter sich gelassen, die er auf dem Weg aus den Höhlen so lange nicht losgeworden war.
Und doch … und doch …
Hier hatte er eine neue Zuflucht errichtet. Kein Versteck für den Körper, aber ein Versteck für den Geist. Ein psychologisches Lagerfeuer, das niemanden aus seinem Bannkreis entließ.
Aber Webster wusste, dass er dieses Feuer verlassen musste. Wie die Menschen es vor zwei Jahrhunderten mit den Städten gemacht hatten, musste er heute aufstehen und davongehen. Und er durfte sich nicht umdrehen und zurückblicken.
Er musste zum Mars – oder jedenfalls die Reise dahin antreten. Darüber gab es keinen Zweifel. Er musste fort.
Ob er die Reise überleben würde, ob er nach seiner Ankunft dort die Operation auszuführen in der Lage war, wusste er nicht. Er fragte sich, ob Agoraphobie zum Tod führen konnte. In ihrer krassesten Form würde sie das wohl.
Er streckte die Hand aus, um zu läuten, zögerte dann aber. Es hatte keinen Sinn, Jenkins packen zu lassen, er musste es selber tun – damit er beschäftigt war, bis das Schiff eintraf.
Vom oberen Fach des Kleiderschranks im Schlafzimmer nahm er eine Tasche und stellte fest, dass sie staubig war. Er blies, aber der Staub löste sich nicht. Er hatte schon zu lange darauf gelegen.
Während er packte, stritt das Zimmer mit ihm, sprach mit jener leisen
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