Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
Eichen auf, die wie gebückte Greise den Hügel hinaufzuwandern schienen.
Das Haus stand auf dem Hügel, ein Gebäude, das Wurzeln geschlagen und sich eng an die Erde gedrückt hatte. Es war so alt, dass es die Farbe seiner Umgebung angenommen hatte, die Farbe von Gras, Blumen und Bäumen, von Himmel, Wind und Wetter. Ein Haus, von Menschen erbaut, die es geliebt hatten, wie die Hunde es jetzt liebten. Gebaut, bewohnt und verlassen von einer legendären Familie, die durch die Jahrhunderte eine Meteorspur hinterlassen hatte. Menschen, die ihre Schatten den Geschichten liehen, die in stürmischen Nächten am Kaminfeuer erzählt wurden. Geschichten von Bruce Webster und dem ersten Hund, Nathaniel; von einem Mann namens Grant, der für Nathaniel eine Weisung hatte; von einem anderen Mann, der versucht hatte, die Sterne zu erreichen, und von dem alten Mann, der in einem Rollstuhl auf ihn gewartet hatte. Und andere Geschichten von den Mutanten, die seit Jahren von den Hunden beobachtet wurden.
Und nun waren die Menschen fort, die Familie war nur noch ein Name, und die Hunde machten weiter, wie Grant es Nathaniel aufgetragen hatte.
»Als wärt ihr Menschen, als wäre der Hund ein Mensch.« Das waren die Worte der Weisung, die zehn Jahrhunderte lang weitergegeben worden waren – und endlich war die Zeit gekommen.
Die Hunde waren nach Hause gekommen, als die Menschen verschwanden, waren von den fernsten Gegenden der Erde an den Ort zurückgekehrt, an dem der erste Hund das erste Wort gesprochen, an dem der erste Hund die erste gedruckte Zeile gelesen hatte – zurück zum Webster-Haus, wo vor langer Zeit ein Mann von einer gemeinsamen Zivilisation geträumt hatte, in der Mensch und Hund die Zeitalter gemeinsam durchmaßen, Hand in Pfote.
»Wir haben getan, was wir konnten«, sagte Ebenezer, als spreche er mit jemandem. »Wir tun es immer noch.«
Von der anderen Seite des Hügels drang das Läuten einer Kuhglocke herüber, dann wildes Bellen. Die jungen Hunde brachten die Kühe zum abendlichen Melken nach Hause.
In dem Gewölbe lag der Staub von Jahrhunderten, grauer, pudriger Staub, der nichts Fremdes an sich hatte, sondern zu diesem Ort gehörte – Überreste des im Laufe der Zeit Vergangenen.
Jon Webster roch den scharfen Dunst des Staubes, hörte die Stille in seinem Kopf summen. Eine Radiumbirne glomm über der Schalttafel mit ihrem Hebel, dem Drehrad und einem halben Dutzend Skalen.
Bemüht, die Stille nicht zu stören, ging Webster langsam weiter, übermannt von dem Gewicht der Zeit, das von der Decke herabzudrücken schien. Er streckte die Hand aus und berührte den Hebel, als erwarte er, ihn dort nicht zu finden, als müsse er ihn fühlen, um an sein Vorhandensein zu glauben.
Aber er war da. Er, das Rad und die Skalen, mit der einsamen Lampe darüber. Das war alles. Mehr gab es nicht. In dem kleinen nackten Gewölbe gab es nichts anderes.
Genau das, was die alte Karte verkündet hatte.
Webster schüttelte den Kopf und dachte: Ich hätte wissen müssen, dass es so sein würde. Die Karte hatte Recht. Die Karte erinnerte sich. Wir sind diejenigen, die vergessen haben – nein, nicht nur vergessen, die nie gewusst oder sich nie um diese Dinge gekümmert haben. Und er wusste, dass wohl das Letztere am wahrscheinlichsten war. Nie gekümmert.
Obwohl manches dafür sprach, dass nur sehr wenige dieses Gewölbe gekannt haben konnten, weil es so am besten gewesen war. Dass es nie benutzt worden war, spielte dabei keine Rolle. Es hätte ein Tag kommen können …
Er starrte die Tafel fragend an. Fast automatisch hob sich seine Hand, aber er zwang sie zurück. Lieber nicht, sagte er sich, lieber nicht. Denn die Karte hatte keinen Hinweis auf den Sinn des Gewölbes, auf die Funktion des Hebels gegeben.
VERTEIDIGUNG stand auf ihr, das war alles.
Verteidigung! Natürlich hatte es damals, vor tausend Jahren, die Möglichkeit einer Verteidigung gegeben. Eine Verteidigung, die nie benötigt worden war, die aber vorhanden sein musste, eine Abwehr gegen die Unsicherheit. Denn die Bruderschaft der Menschen war damals schon etwas Gefährdetes, durch ein einziges Wort, durch eine einzige Tat zu vernichten. Selbst nach zehn Jahrhunderten des Friedens musste die Erinnerung an den Krieg lebendig gewesen sein – eine immer präsente Möglichkeit in den Gedanken des Weltkomitees, etwas, das umgangen werden, wofür man aber auch bereit sein musste.
Webster stand aufrecht, horchte dem Puls der Geschichte in diesem Raum nach.
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