Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
Spiegel, die eine Illusion der Ferne vermitteln. Ventilatoren, die Luft durch eine Salzpumpe blasen, Pumpen, die Wellen entstehen lassen. Eine synthetische Sonne. Stell dir das vor: eine synthetische Sonne! Und wenn mir die Sonne nicht passt, brauche ich nur eine Taste zu drücken, und ich habe einen Mond ganz für mich allein.«
»Illusion«, sagte Sara.
»Eben«, sagte Webster. »Das ist alles, was wir haben. Keine richtige Arbeit, keinen Beruf. Nichts, wofür wir arbeiten, nichts wofür wir etwas tun müssen. Ich habe zwanzig Jahre lang gearbeitet und werde ein Buch schreiben, aber kein Mensch wird es lesen. Man brauchte nur zu kommen und mich um ein Exemplar zu bitten. Wenn das niemand tut, wäre ich schon froh, einen Leser kennenzulernen und ihm das Buch vorbeizubringen. Aber niemand will es. Es wird mit all den anderen Büchern in irgendwelchen Bücherregalen landen. Und was habe ich davon? Ich will es dir sagen. Zwanzig Jahre Arbeit, zwanzig Jahre Selbsttäuschung, zwanzig Jahre meine Vernunft bewahrt.«
»Ich weiß«, sagte Sara leise. »Ich weiß, Jon. Die letzten drei Bilder …«
Er hob schnell den Kopf. »Aber, Sara …«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Jon. Niemand wollte sie. Sie sind nicht in Mode. Naturalistische Sachen sind passé. Jetzt herrscht Impressionismus. Geschmier …«
»Wir sind zu reich«, sagte Webster. »Wir haben zu viel. Alles ist uns geblieben, alles – und nichts. Als die Menschheit zum Jupiter zog, erbten die wenigen Zurückbleibenden die Erde, und sie war zu groß für sie. Sie kamen nicht zurecht damit. Sie konnten sie nicht bändigen. Sie glaubten sie zu besitzen, aber sie selbst wurden Besitz. In Besitz genommen, beherrscht und überwältigt von allem, was vorher geschehen war.«
Sie berührte ihn am Arm. »Armer Jon.«
»Wir dürfen uns nicht belügen. Eines Tages werden ein paar von uns der Welt ins Gesicht sehen und von vorne anfangen müssen.«
»Ich …«
»Ja, Sara?«
»Ich bin gekommen, um dir Lebewohl zu sagen.«
»Lebewohl?«
»Ich werde mich in Schlaf versetzen lassen.«
Er sprang auf, sagte entsetzt: »Nein, Sara!«
Sie lachte gequält auf. »Warum kommst du nicht mit mir mit, Jon? Ein paar Hundert Jahre. Vielleicht ist alles anders, wenn wir erwachen.«
»Nur weil niemand deine Bilder will. Nur weil …«
»Du hast es vorhin selbst gesagt, Jon. Alles ist Illusion. Ich wusste es, ich fühlte es, aber ich konnte es nicht zu Ende denken.«
»Aber der Schlaf ist auch Illusion.«
»Gewiss. Aber das merkt man nicht. Man hält alles für wirklich. Man hat keine Hemmungen und keine Ängste, abgesehen von den absichtlich geplanten. Er ist so natürlich, Jon – natürlicher als das Leben. Ich war im Tempel und habe mir alles genau erklären lassen.«
»Und wenn man wach wird?«
»Ist man angepasst. Angepasst an die Art von Leben, die in der späteren Zeit herrscht. Beinahe so, als habe man von Anfang an dazugehört. Und es kann ja wirklich besser sein. Wer weiß? Es könnte ja sein.«
»Bestimmt nicht«, erwiderte Jon grimmig. »Außer, jemand unternimmt etwas. Aber Menschen, die sich in den Schlaf zurückziehen, werden wohl kaum dazu in der Lage sein.«
Sie zuckte zusammen, und er schämte sich plötzlich.
»Verzeih, Sara. Ich habe nicht dich gemeint. Keine bestimmte Person. Einfach uns alle.«
Die Palmen flüsterten rau, ihre Wedel scharrten aneinander. Kleine Pfützen, Überbleibsel der Brandung, glitzerten in der Sonne.
»Ich will dich nicht davon abhalten«, sagte Webster. »Du hast es dir überlegt, du weißt, was du willst.«
So war es mit der Menschheit nicht immer gewesen, dachte er. Vor tausend Jahren hätte man sich in eine Diskussion gestürzt. Aber der Juwainismus hatte solchen Dingen ein Ende gemacht. Vielen Dingen.
»Ich war immer der Meinung«, sagte Sara leise, »wenn wir zusammengeblieben wären …«
Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Auch das haben wir verloren, auch darauf hat die Menschheit verzichtet. Wenn man es sich genau überlegt, haben wir sehr viel aufgegeben. Familienbindungen und Geschäftssinn, Arbeit und Lebenszweck.« Er sah ihr in die Augen. »Wenn du zurückkommen willst, Sara …«
Sie schüttelte den Kopf. »Es hätte keinen Zweck, Jon. Zu viele Jahre liegen dazwischen.«
Er nickte. Es war sinnlos, das abstreiten zu wollen.
Sie erhob sich und reichte ihm die Hand. »Wenn du dich einmal zum Schlaf entschließen solltest, erkundige dich nach meinem Eintritt. Ich sorge dafür, dass neben mir ein
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