Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
einer Wintersonne. Der Wind kam aus Westen, nicht aus dem Norden.
Etwas ist mit mir geschehen, dachte Jenkins. Das, was in mir gewachsen ist. Das, was ich fühlte und nicht verstehen konnte. Eine neue Fähigkeit? Oder ein neuer Sinn, der endlich zutage tritt? Oder eine Kraft, die ich nie in mir vermutet hätte?
Die Kraft, mit eigenem Wunsch und Willen zwischen den Welten zu wandern. Die Kraft, hinzugehen, wohin es mir beliebt, auf dem kürzesten Wege und wann immer ich möchte.
Seine Vorsicht ließ nach, aber das Haus blieb, ungerührt, massiv, Sicherheit ausströmend.
Er überquerte den grasbewachsenen Hof und stand vor der Tür.
Zögernd hob er die Hand und legte sie auf die Klinke – auch die Klinke war da. Kein Phantom, sondern festes, körperhaftes Metall.
Langsam drückte er sie nach unten, die Tür ging auf, und er trat über die Schwelle.
Nach fünftausend Jahren war Jenkins heimgekehrt … zurück ins Webster-Haus.
Es gab also einen Menschen namens Joe. Keinen Webster, sondern einen Mensch, denn ein Webster war ein Mensch. Und die Hunde waren nicht als Erste da gewesen.
Homer lag vor dem Feuer, ein schlaffes Bündel aus Pelz, Knochen und Muskeln, die Pfoten vor sich ausgestreckt, den Kopf darauf zur Ruhe gebettet. Durch seine halbgeschlossenen Augen sah er Feuer und Schatten, spürte die Hitze der lodernden Scheite am Körper.
Aber innerlich sah er den Sand und den kauernden Roboter und die alten Hügel.
Andrew hatte neben ihm im Sand gesessen und erzählt, während die Herbstsonne auf seine Schultern schien – hatte von Menschen und Hunden und Ameisen gesprochen. Von einem Ereignis, das sich zugetragen hatte, als Nathaniel noch lebte. Das war lange her; denn Nathaniel war der erste Hund gewesen.
Es hatte einen Mann namens Joe gegeben … einen Mutantenmenschen, mehr als ein Mensch, der vor zwölftausend Jahren über die Ameisen nachgedacht hatte, der sich gefragt hatte, warum sie so weit und nicht weiter gekommen waren, warum sie in eine Sackgasse geraten waren.
Hunger vielleicht, hatte sich Joe überlegt, der nie nachlassende Zwang, Nahrung zu beschaffen, damit sie am Leben blieben. Der Winterschlaf vielleicht, die Stagnation des Winterschlafs, die un terbrochene Erinnerungskette, der Neubeginn, jedes Jahr eine Wiedergeburt für Ameisen.
Das hatte Andrew erzählt, während sein kahler Kopf in der Sonne schimmerte: Joe hatte einen Hügel ausgesucht, um das Schicksal der Ameisen zu ändern. Er hatte sie ernährt, damit sie nicht mit dem Hunger zu kämpfen brauchten. Er hatte ihren Hügel durch eine Glaskuppel geschützt und geheizt, so dass ihr Winterschlaf entfallen konnte.
Und es war geglückt. Die Ameisen erzielten Fortschritte. Sie bauten Wagen und schmolzen Erz. So viel war erkennbar, denn die Wagen fuhren oben auf der Erde, und ätzender Schmelzofenrauch drang aus den Essen.
Was sie noch taten, was sie noch lernten, tief in ihren Gängen, das wusste niemand.
Joe sei verrückt gewesen, erklärte Andrew. Verrückt … und doch vielleicht auch wieder nicht.
Denn eines Tages zerbrach er die Glaskuppel, zerstörte den Hügel mit einem Fußtritt, drehte sich um und ging davon, denn es war ihm gleichgültig, was mit den Ameisen geschah.
Aber den Ameisen nicht.
Die Hand, die die Kuppel zerbrochen, der Fuß, der den Hügel zerstört hatte, hatte die Ameisen auf die Straße zur Größe geführt. Sie begannen zu kämpfen … und zu bewahren, was sie besaßen, um zu verhindern, dass das Schicksal sich wieder gegen sie wandte.
Vor zwölftausend Jahren ein auseinandergerissener, zertrampelter Hügel – heute ein gewaltiges Gebäude, das von Jahr zu Jahr wuchs. Ein Gebäude, das in einem knappen Jahrhundert den Umfang einer Stadt erreichte, das im nächsten die Fläche von hundert Städten bedecken würde. Ein Gebäude, das sich ausdehnen und das Land an sich reißen würde. Land, das nicht den Ameisen, sondern allen Tieren gehörte.
Ein Gebäude … und auch das stimmte nicht ganz, obgleich man es von Anfang an so genannt hatte, denn ein Gebäude war ein Unterschlupf, ein Schutz vor Sturm und Kälte. Die Ameisen brauchten das nicht, denn sie hatten ihre Tunnel und ihre Hügel.
Warum bauten Ameisen ein Haus, das sich in hundert Jahren über die Fläche einer Stadt erstreckte und immer weiterwuchs? Was wollten die Ameisen damit anfangen?
Homer steckte die Schnauze tiefer zwischen die Pfoten und knurrte.
Es gab keinen Weg, das herauszubekommen, wenn keiner wusste, wie eine Ameise dachte,
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