Als Flora zuviel Rotwein trank - Noch eine sehr romantische Komödie (Leckere Lords von Ruby Royce) (German Edition)
Zeit.
Elitäre Seilschaften. Immer halten sie zusammen, lassen niemanden rein. Ich bin nur hier, weil ich Gigis Freundin bin und sie ist nur hier, weil sie eine langbeinige, vollbusige Sirene ist, die zur rechten Zeit am rechten Ort war. Wie können sie sich über die laxe Moral des Prinzen echauffieren, wenn sie selbst gar nicht besser sind? Wir Normalsterblichen müssen uns immer gut benehmen, ansonsten sind wir kompromittiert oder werden geschnitten und sind auf unsere eigenen kläglichen Verbindungen angewiesen. In solchen Momenten wie eben kann ich die albernen Ambitionen meiner Mutter verstehen. Es ist nicht schön, am untersten Ende der Nahrungskette zu stehen. Wir sind zwar Teil des "ton", aber wir sind der unwichtigste Teil. Die arme Clara… jedes Mädchen würde die Orientierung in so einer Gesellschaft verlieren. Aber Darlington hat schon recht, jemand muss ihr mal Manieren beibringen. Sie ist so ungestüm!
Flora erinnerte sich plötzlich an ihre eigenen ungestümen Ausbrüche und versuchte, die Gedanken zu verdrängen, indem sie ein Gespräch mit Lackerby begann.
"Finden Sie es nicht schade, Lord Lackerby, dass die Liebe sich Ihnen nie aufgedrängt hat? In Ihrem Alter? Möchten Sie denn nicht heiraten und eine Familie haben?"
"Oh, ich werde heiraten. Nächstes Jahr sogar."
"Wirklich?" Flora war ehrlich überrascht. "Wen?"
"Eine Miss Padmore. Bin ihr nie begegnet." Er sagte es so gleichgültig, dass Flora glaubte, sich verhört zu haben.
"Sie haben sie nie getroffen?"
"Nein. Habe mich vor zwölf Jahren mit ihr verlobt. Wissen Sie, in meiner Position wird man ja gejagt wie Rotwild. Hat mir dreizehn Jahre der Freiheit ohne Angriffe von ambitiösen Müttern wie— wie so vielen beschert."
Wie meiner Mutter? Wollte er das sagen?
"ZWÖLF JAHRE? Wo lebt sie denn?"
"Irgendwo in der Nähe von Durham."
"Aber… Ich meine, warum heiraten Sie die Frau denn nicht einfach? Warum haben wir sie noch nie in London gesehen?"
Lackerby zog die Augenbrauen zusammen. "Warum sollte sie debüttieren, wenn sie schon längst verlobt ist? Ihre Familie hat erheblich von dem Arrangement profitiert, glauben Sie mir."
Flora fühlte missbilligende Bemerkungen in sich aufsteigen, schluckte sie aber wieder herunter.
"Nun, Sir, ein Mädchen geht doch gern tanzen und möchte hübsche Kleider anziehen. Jahr für Jahr auf dem Land zu sitzen und darauf zu warten, einen Unbekannten zu heiraten, klingt für mich sehr unerfreulich."
"Mädchen wird nächstes Jahr zwanzig und dann werden wir heiraten. So lautet der Vertrag. Werden sie ja dann zu Gesicht bekommen, Parks. Werden sich auch gut mit ihr verstehen. Tochter eines Baronets, genau wie Sie."
"Ach so, ah ja."
Flora hatte genug von Lackerbys Verlobung gehört. Diese Leute waren einfach anders.
Warum war sie überhaupt jemals hier hergekommen? Sie hätte wissen müssen, dass es irgendwann unangenehm werden würde.
Schweigend beendete sie ihr Frühstück.
"Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag, Mylord", trällerte sie heuchlerisch, als sie den Tisch verließ und zum Ufer des Sees hinüber ging.
8.
Irgendwo in der Nähe des Westufers des Lago Maggiore
Francesco hatte nicht länger widerstanden.
Verletzungen hin oder her, er musste schwimmen.
Das Wasser war immer sein Zufluchtsort gewesen.
Beim schwimmen konnte er sich selbst vergessen, die Welt vergessen, die Furcht vergessen und die Trauer vergessen. Sogar als kleiner Junge in England war er in den Fluss in der Nähe von Seventree gesprungen, wenn es warm genug war.
Gegen die Strömung anzukämpfen, das kalte Wasser über sich hinweg waschen zu lassen… das war die beste Medizin gegen sein Leid gewesen: Die Sehnsucht nach seiner verstreuten Familie. Die Angst vor einer französischen Invasion. Die Sorge, von noch mehr Verwandten zu erfahren, die in Frankreich der Guillotine zum Opfer gefallen waren. Später dann der Tod der Duchess, die Krankheit des Dukes und die Sinnlosigkeit seines Lebens.
Nun da Napoleon besiegt worden war und seine Familie wieder regierte, war es leicht vorzutäuschen, jene neunzehn Jahre des Exils wären nur eine Übergangszeit gewesen. Viele Edelleute wuchsen bei Verwandten im Ausland auf, was war schon besonders daran?
Aber für die Karlsburger Kinder war es anders.
Niemand konnte damals wissen, dass die alten Regimes in Europa jemals zurückkehren würden. Wäre nur eine Schlacht anders ausgegangen, oder nur ein Vertrag anders formuliert worden - die Karlsburg-Sforzas wären zu einem
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