Als gaebe es kein Gestern
aus kugelrunden Augen an. „Verdächtigst du ihn etwa? Glaubst du, er ist derjenige, der die Anschläge auf mich verübt hat?“
Karen zuckte die Achseln. „Keine Ahnung.“
„An dem Samstag, an dem wir Spike geholt haben“, brach es aus Livia hervor, „wollte Manfred eigentlich mit. Und dann ist er urplötzlich krank geworden…“
„Andererseits“, überlegte Karen, „saß Gunda vorne. Durch den herabgeworfenen Stein war sie viel stärker gefährdet als du. Außerdem begannen die Anschläge, bevor du dich mit Gunda angefreundet hast. Da scheidet Manfred doch aus, oder?“
Livia schauderte. „Ich will meinen Schlüssel zurück“, krächzte sie.
„Dann hältst du es also auch für möglich …“
„Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich für möglich halte und was nicht!“, schluchzte Livia, doch war es ein unterdrücktes Schluchzen. Die Augen ängstlich auf Arvin und Vanessa gerichtet, versuchte sie sicherzustellen, dass die beiden nichts von diesem Gespräch mitbekamen. Objektiv betrachtet, war diese Vorsichtsmaßnahme allerdings überflüssig. Arvin steckte inzwischen bis über beide Ohren im Sand … „Vor ein paar Tagen hatte ich diesen Anruf …“
„Anruf?“
„Ich bin mir sicher, dass es der Mann aus dem Krankenhaus war“, flüsterte Livia. Ihre Stimme zitterte. „Er hat irgendetwas von irgendwelchem Geld gesagt und dass ich es ihm endlich geben soll. Er hat mir sogar einen Ort genannt, an dem ich es deponieren soll.“
„Hast du der Polizei davon erzählt?“, fragte Karen alarmiert.
„Das kann ich nicht!“, gab Livia zurück. „Er hat mir auch gedroht. Keine Polizei, hat er gesagt, sonst erzählt er alles Arvin.“ Sie fasste Karen an den Händen und sah ihr ängstlich in die Augen. „Ich hab keine Ahnung, was er Arvin erzählen kann, Karen. Aber ich will nicht … Ich glaube nicht, dass er noch mehr Liebhaber verkraften kann …“
„Keine aktuellen Liebhaber, aber frühere …“
„Ich hab solche Angst, dass er mich wieder fallen lässt“, flüsterte Livia und verschränkte krampfhaft ihre Finger ineinander. „So furchtbare Angst!“
„Und dieser ominöse Mann“, überlegte Karen und barg ihr Kinn in der Hand. „Könnte er derjenige sein, der dir nach dem Leben trachtet?“
Livia zuckte die Achseln. „Seit dem Telefonat hab ich mir ununterbrochen den Kopf darüber zerbrochen. Es scheint ihm um Geld zu gehen. Aber wie soll er es bekommen, wenn ich tot bin?“
„Trotzdem solltest du der Polizei davon erzählen“, mahnte Karen.
Livia zögerte. „Ich überleg’s mir, okay?“ Ihr Blick enthielt eine Mischung aus Angst und Zärtlichkeit, als er jetzt zu Vanessa und Arvin zurückwanderte. Arvin war inzwischen aufgestanden und damit beschäftigt, Sand aus seinen Schuhen zu schütteln. „Bist du sicher, dass er keinerlei Verdacht gegen Enno hegt?“
Karen nickte. „Ziemlich.“
„Hält er ihn für seinen Freund?“
Karens Kopf ruckte herum. „Du siehst es auch, nicht wahr?“, sprudelte es aufgeregt aus ihr heraus. „Dass er nicht loyal ist!“
Livia zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht … Er schätzt Arvins Fähigkeiten. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass er eine Konkurrenz in ihm sieht.“
„Auf jeden Fall hat er sich an Arvins Frau herangemacht“, knurrte Karen. „Und das gleich mehrfach.“ Als Livia schwieg, sah Karen ihr prüfend ins Gesicht. „Oder glaubst du, dass er dich liebt? Aufrichtig liebt, meine ich?“
Livia überlegte einen Moment. „Mich sicher nicht“, sagte sie schließlich. „Aber vielleicht das, was er in mir sieht. Vielleicht hat er die alte Livia geliebt …“
„Und die alte Livia“, fragte Karen, „hat die ihn auch geliebt?“
Livia seufzte tief. „Das weiß ich doch nicht, Karen. Ich hab keine Ahnung …“
„Einen solchen Vertrauensbruch würde er jedenfalls kein zweites Mal verkraften“, mahnte Karen leise.
„Ich weiß aber, dass ich nicht die alte Livia bin“, antwortete Livia mit fester Stimme. „Ich bin die neue Livia. Ich bin das hier.“ Sie kramte in ihrer Hosentasche herum und holte den Zettel heraus, den sie vorhin miteinander erstellt hatten. Er war kein x-beliebiges Blatt Papier, sondern etwas ganz Besonderes, quasi der Beweis dafür, dass sie existierte und dass es Menschen gab, denen das etwas bedeutete. Fast ehrfürchtig faltete sie ihn auseinander. „Ich mag Blumen, Lachs, Maracujamarmelade und James Blunt.“ Sie blickte auf und stellte fest, dass Arvin schon wieder Seilbahn
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