Als gaebe es kein Gestern
das!“
„Aber weswegen bist du überhaupt hier?“, fragte Karen misstrauisch. „Und weswegen hast du eine Reisetasche dabei?“
Karen würde ihre Bitte zurückziehen, wenn sie erführe, wie es zwischen Arvin und ihr stand! Und dann würden sich ihre Sorgen verzehnfachen! „Ich dachte, ich könnte heute Nacht hierbleiben“, entgegnete Livia, um Zeit zu gewinnen. Gleichzeitig suchte sie hektisch nach einer logischen Erklärung.
„Habt ihr euch gestritten?“
Livia schüttelte heftig mit dem Kopf. „Nein, natürlich nicht. Aber das Haus … es ist so einsam, wenn Arvin nicht da ist.“
„Wo ist er denn?“
„Es gab Probleme mit einem großen Kunden. Richtige Probleme. Enno und Arvin sind zusammen hingefahren. Sieht so aus, als müssten sie über Nacht bleiben.“
„Arvin hasst es, woanders zu übernachten“, sagte Karen und sah Livia einmal mehr prüfend ins Gesicht. „Außerdem hast du was von Heulparty gesagt …“
„Stimmt“, seufzte Livia und wunderte sich selbst, dass sie so schnell eine Lügengeschichte parat hatte … „Im Grunde wollte ich dir mein Leid klagen. Aber jetzt … nach allem, was du mir gesagt hast … hab ich den Eindruck, als wäre es gar nicht so schlecht, was mir passiert ist …“
„Was ist dir denn passiert?“
„Ich hatte Arbeit“, begann Livia. „In einem Blumenladen. Auf Minijobbasis. Aber ich hab wohl nicht schnell genug gearbeitet. Deshalb hab ich sie wieder verloren.“
Karen nickte. „Mit Blumen zu arbeiten hat dir sicher gefallen.“
In Livias Augen flackerte etwas auf. „Es war wunder-wunderschön!“ Und es war zu Ende. So oder so … Wie alles heute. Alles ging heute zu Ende. Einfach alles. Nur die Heulparty, die begann jetzt erst richtig …
Kapitel 32
Die Wochen gingen dahin und nichts war mehr, wie es früher war.
Livia lebte wieder bei Arvin.
Und auch Karen und Vanessa waren dort eingezogen. Sie bewohnten gemeinsam Karens altes Kinderzimmer. Das hatte viele Vorteile. Ganz nebenbei hatte Livia eine Ausrede parat, um Gunda und Manfred den Ersatzschlüssel wieder abzunehmen … Der Kontakt war ohnehin ein wenig verkrampfter geworden, seitdem Livia von ihrer Affäre mit Manfred erfahren hatte. Entscheidend aber war, dass Karen Livia dabei behilflich sein konnte, in ihre Rolle als Ersatzmutter hineinzuwachsen. Livia konnte Karen pflegen, wenn es ihr schlecht ging. Vanessa konnte sich an die neue Umgebung und an Livia gewöhnen. Karen konnte so viel Zeit wie nur möglich mit ihrer Tochter verbringen. Da sie nicht mehr arbeitete, sondern krankgeschrieben war, war das eine Menge Zeit. Die gesparte Miete konnte für Vanessa angelegt werden. Das vermittelte Karen das Gefühl, dass sie ihrer Tochter auch finanziell etwas hinterlassen konnte.
Trotz alledem war die Situation der pure Horror für alle Beteiligten.
Karen wurde jeden Tag daran erinnert, dass Vanessa hier in diesem Haus groß werden würde und dass sie selbst dem Tode geweiht war.
Vanessa hatte Schwierigkeiten mit der Veränderung und spielte die drei Erwachsenen, die als gemeinsame Erziehungsberechtigte noch kein eingespieltes Team waren, gnadenlos gegeneinander aus. Außerdem entwickelte sie Probleme in der Schule.
Arvin litt furchtbar unter den Veränderungen, vor allem unter dem Chaos, das Vanessa überall anrichtete, aber auch unter der Enge und natürlich unter Livias Anwesenheit. Obwohl er unter den gegebenen Umständen sofort zugestimmt hatte, dass Livia zu ihm zurückkehrte, spürte sie deutlich, dass er hinter seiner aufgesetzten Freundlichkeit eine Mauer aufgerichtet hatte, die noch höher und dicker war als jemals zuvor. Und sie tat auch viel stärker weh als früher! Der Kontrast zu jenem Morgen, als alles Eis zerschmolzen war, war einfach nicht zu ertragen.
Und dann die Heimlichtuerei! Karen durfte nicht wissen, dass sie sich wieder zerstritten hatten. Und so gab es jeden Morgen einen Abschieds- und jeden Abend einen Begrüßungskuss, dazu Zeiten, die sie zwangsweise allein miteinander verbringen mussten, weil Karen Angst hatte, in ihre Beziehung einzubrechen. Und da saßen sie dann, allein im Wohnzimmer oder in der Küche, schwiegen sich an und schlugen die Zeit tot. Immerhin konnte Livia weiterhin im Gästezimmer nächtigen. Sie hatte Karen erklärt, dass es zwar zur Versöhnung gekommen sei, ihre Beziehung aber noch ein bisschen Zeit bräuchte, um zu wachsen. Livia weinte viel, was sich natürlich auch vor Karen nicht verbergen ließ. Aber sie schob es tapfer auf
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