Als gaebe es kein Gestern
mehrere Stunden für dieses Ergebnis gebraucht. Und auch die Uhrzeit war ein Problem gewesen. Arvin kam normalerweise nicht vor zehn Uhr abends nach Hause. Aber Apfelstrudel um zehn Uhr? Sie hatte lange darüber nachgedacht und sich erst für zehn, dann für neun und schließlich für acht Uhr entschieden. Man konnte doch wohl erwarten, dass er ein einziges Mal zwei Stunden früher nach Hause kam, oder?
Man konnte nicht.
Habe äußerst viel zu tun. Bin deshalb gezwungen, Deine Einladung abzulehnen.
Arvin
„Bin gezwungen“, las Livia am nächsten Morgen und entspannte sich ein wenig. Das war nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Eigentlich klang es recht freundlich – wenn nicht gar ermutigend! Bin gezwungen – gegen diesen Zwang gab es ein Mittel!
Lieber Arvin, schrieb sie am nächsten Tag,
wenn es Dir erst später passt, ist das kein Problem. Wie wär’s mit morgen Abend um 21:30 Uhr?
Deine Livia
Mir wäre es lieber, wenn wir Deinen Gesprächsbedarf schriftlich decken.
Arvin
Livia schluckte schwer, als sie diese Antwort las. Das war eine Unverschämtheit! Nach allem, was sie in diesem Haushalt leistete, war diese Antwort wie ein Schlag in ihr Gesicht!
Unglücklicherweise hatte Livia einen ganzen Tag lang Zeit, diese Frechheit auf sich wirken zu lassen …
Lieber Arvin, schrieb sie schließlich . Dieses Mal wirkte ihre Schrift ein wenig unstet – was wohl eine Auswirkung des Ärgers war, der in ihrer Magengegend herumbrodelte.
Ich würde Dich sicher nicht um ein gemeinsames Abendessen bitten, wenn sich die Dinge, die ich auf dem Herzen habe, schriftlich regeln ließen. Deshalb erwarte ich Dich morgen Abend um 22:00 Uhr.
Livia
An „deine Livia“ war unter diesen Umständen nicht mehr zu denken.
Aber auch die Fertigstellung ihrer Botschaft vermochte ihre Wut nicht abzumildern. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Wie konnte er es wagen, all ihre Dienste in Anspruch zu nehmen und sie dann derart mit Füßen zu treten? Gebügelte Hemden, leckere Weintrauben, ein geputztes Haus, ja, das war in Ordnung. Aber ein paar persönliche Worte – nein danke?!?
Der Ärger verfolgte Livia bis in die Nacht und hinderte sie am Einschlafen. Als Arvin gegen halb zehn nach Hause kam, lauschte Livia auf jedes seiner Geräusche. Und auch als er schon längst zu Bett gegangen war, konnte sie noch keine Ruhe finden. Ich könnte mich entscheiden, ihn zu lieben , klang es in ihren Ohren. Das hatte sie selbst gesagt. War sie größenwahnsinnig gewesen? „Wehe, du lehnst ab“, waren ihre letzten Worte, bevor sie schließlich einschlief. „Wehe!“
Als sie am nächsten Morgen erwachte, spürte sie sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war richtig hell in ihrem Zimmer und … zu still! Livia setzte sich ruckartig auf und sah auf ihren Wecker. Viertel nach zwölf ?
Sie sprang aus dem Bett und rannte in die Küche. Vielleicht war es besser, wenn er ihre Einladung abgelehnt hatte … Wenn er nämlich zugesagt hatte, würde sie in wenigen Stunden einen perfekten Apfelstrudel zubereiten müssen. Mit Vanillesoße! Und das, obwohl sie noch überhaupt nichts eingekauft hatte!
Als Livia den Zettel zur Hand nahm, war sie auf alles vorbereitet. Sogar auf eine noch frechere Antwort als beim letzten Mal. Stattdessen fand sie ihn genauso vor, wie sie ihn hinterlassen hatte – ohne Antwort! Ohne auch nur ein einziges Wort!
Sie starrte auf die gähnende Leere und spürte ein ungutes Gefühl in sich aufsteigen. Sie wusste nicht, woran sie war! Nichts … das war ziemlich wenig! Was hatte es zu bedeuten? War es zähneknirschende Zustimmung? Oder verärgerte Ablehnung? In beiden Fällen war es keine gute Voraussetzung für einen netten Abend. Sie schauderte. Was hatte sie sich da nur eingebrockt?
Das einzig Gute war, dass sie Arvin für zehn Uhr bestellt hatte. Selbst wenn er keine Lust auf den Abend hatte, würde er um diese Zeit nach Hause kommen. Wenn alles gut lief, würde er dann den Apfelstrudel riechen … und ihre Bemühungen erkennen … und sich doch noch auf den Abend einlassen …
Sie atmete einmal tief durch. Ja, der Apfelstrudel musste her, und zwar einer, der ihm die Schuhe auszog, einer wie ihn seine Mutter zubereitet hatte, dann würde sich schon alles zum Guten wenden!
Sie sah auf ihre Uhr. Mittlerweile war es halb eins. Ziemlich spät. Dabei musste sie noch einkaufen! Und die Mittagszeit war die einzige Möglichkeit, um das in Ruhe zu tun.
An ein entspanntes Frühstück war unter diesen
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