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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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hast du vergessen, den Tisch mit Mehl zu bestäuben?“
    „Den Tisch? Wieso den Tisch? Ich hab das Nudelholz bestäubt!“
    „Tja … das reicht nicht“, antwortete Karen.
    „Und was mach ich jetzt?“ Livias Stimme glitt ins Weinerliche ab.
    „Hast du noch eine zweite Portion Teig?“
    „Schon …“
    „Dann probier es damit noch einmal!“
    „Nur wenn du am Telefon bleibst“, jammerte Livia. „Wenn du auflegst, geb ich auf.“
    „Aber ich bringe gerade Vanessa ins Bett …“
    „Wenn du auflegst, geb ich auf“, wiederholte Livia.
    „Zuerst bringe ich Vanessa ins Bett. Dann rufe ich dich zurück. In Ordnung?“
    „Also gut … Aber beeil dich.“
    Es dauerte zwanzig Minuten, bis Karen endlich zurückrief. Aber dann erwies sie sich als rettender Engel. Unter ihrer Anleitung wurde Livia nicht nur ruhiger, sie lief auch zur Hochform auf. Nachdem sie den Tisch großzügig mit Mehl bestäubt hatte, klappte sowohl das Ausrollen als auch das Zusammenschlagen wie einstudiert. Pünktlich um Viertel nach neun war der Strudel im Ofen.
    „Jetzt muss er nur noch erscheinen“, kommentierte Karen diesen Erfolg. „Richtig zugesagt hat er ja nicht, oder?“
    „Das nicht“, musste Livia zugeben. „Aber er kann ja schlecht im Büro übernachten. Und gegen zehn war er eigentlich immer zu Hause. Du siehst also … er kann mir gar nicht entgehen!“
    Karen antwortete nicht.
    „Glaubst du etwa, er sagt mir ins Gesicht, dass er meine Einladung ablehnt?“, fragte Livia deutlich verunsichert. „Auch wenn er den Apfelstrudel riecht?“
    „Ich möchte nur nicht, dass du enttäuscht bist. Arvin ist … na ja … er kann ziemlich stur sein.“
    „Du möchtest nicht, dass ich enttäuscht bin?“, wiederholte Livia fassungslos. „Ich hab den ganzen Tag geschuftet, Karen! Ich hab mir die Hand aufgeschlitzt und die Füße wund gelaufen!“ Dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, verschwieg sie an dieser Stelle besser … „Glaub mir, ich wäre enttäuscht, und das ist noch milde ausgedrückt.“
    „Halt mich einfach auf dem Laufenden“, bat Karen. „Du kannst mich anrufen, wann immer du willst, okay?“
    „Okay.“ Als Livia auflegte, hatte sie ein ziemlich ungutes Gefühl. Bisher war sie wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass Arvin im Angesicht ihrer Bemühungen klein beigeben würde. Aber jetzt war sie sich plötzlich nicht mehr sicher.
    Umso wichtiger war, dass Arvin erkannte, wie viel Mühe sie sich gegeben hatte!
    Sie eilte in ihr Zimmer, zog sich eine saubere Jeans an und stürzte sich dann auf ihre Bluse. Es dauerte lange, bis sie Folie, Pappe, Plastikklammern und Schildchen entfernt hatte. Und dann war die Bluse auch noch knittrig! Aber Bügeln hatte sie geübt, und so gelang es ihr ohne Probleme, das gute Stück auf Vordermann zu bringen. Anschließend eilte sie ins Bad, um ihre Haare zu frisieren. Bevor sie allerdings den Föhn anschaltete, riss sie das Fenster sperrangelweit auf. Der Föhn war schließlich laut und sie durfte Arvins Ankunft auf keinen Fall verpassen!
    Trotz dieser Sicherheitsmaßnahme unterbrach Livia das Föhnen im Drei-Minuten-Takt. Sie steckte dann regelmäßig den Kopf aus dem Fenster, um sicherzugehen, dass noch kein Wagen vorgefahren war.
    Gute dreißig Minuten später hatte Livia ihr Äußeres in Hochform gebracht. Ihr Spiegelbild überraschte sie selbst. Zum ersten Mal seit Langem … vielleicht sogar zum ersten Mal in ihrem Leben – so kam es ihr jedenfalls vor – fand sie sich hübsch. So hübsch, dass sie mehrere Minuten vor dem Spiegel stehen blieb und sich fröhlich zulächelte. Vielleicht ging es Arvin genauso … vielleicht würde er sie sogar mögen …
    Sie riss sich vom Spiegel los und bewegte sich in Richtung Küche. Schon im Flur atmete sie den verführerischen Duft aus Äpfeln und Zimt ein. Dieser Strudel war eindeutig gelungen. Selbst Arvin würde ihn nicht verpassen wollen! Ein Blick in den Ofen bestätigte diese Einschätzung. Der Strudelteig hatte eine leicht bräunliche Farbe angenommen und machte den Eindruck, als wäre er genau richtig.
    Livia lief das Wasser im Munde zusammen. Erst jetzt wurde ihr klar, wie viel Hunger sie hatte! Sie sah auf ihre Uhr. Es war fünf nach zehn! Sie schaltete den Ofen aus, öffnete die Tür und holte das Blech heraus. Einen Moment lang ließ sie den Strudel abkühlen, dann bestreute sie ihn großzügig mit Puderzucker.
    „Jetzt solltest du kommen“, murmelte sie und starrte sehnsüchtig auf den fertigen

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