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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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viele Fragen über Arvin gestellt. Sehr viele. Ich bin nicht sicher, aber ich hab den Eindruck, dass sie ihn in Verdacht haben …“
    „Du meinst wegen des Autounfalls?“
    Enno nickte.
    „Ich weiß nicht“, seufzte Livia. „Sie haben keine Projektile gefunden. Und auch sonst keine Anhaltspunkte, dass jemand von der Brücke aus auf mich geschossen haben könnte. Vielleicht … hab ich mir das Ganze auch nur eingebildet und der Stein stammt von irgendwelchen dummen Jugendlichen.“ Sie schüttelte den Kopf und versuchte sich noch einmal zu erinnern. „Ich hab ja auch nichts gehört. Keinen Schuss, gar nichts.“ Die Erinnerung ließ sie schaudern. „Komm her, Nellie“, sagte sie und streckte Spike Trost suchend die Hand entgegen.
    Als sie wenig später zu Enno hinübersah, fing sie einen zutiefst entsetzten Blick auf.
    „Ist was?“, fragte Livia erschrocken.
    „Wer ist Nellie?“
    Livia begriff nicht. „Wieso Nellie?“
    „Du hast Spike gerade Nellie genannt“, behauptete Enno.
    „Unsinn!“ Aber als sie sich zu erinnern versuchte, funktionierte es nicht. „Hab ich wirklich Nellie gesagt?“, fragte sie verunsichert.
    Enno starrte prüfend in ihr Gesicht. „War das jetzt der einzige Vorfall dieser Art oder hast du dich schon mal an was erinnert?“
    Livia schluckte und sagte: „In letzter Zeit kommt es mir häufiger so vor, als würde ich mich an irgendetwas erinnern. Einmal war es eine Wiese, eine ganz gewöhnliche Wiese, die in meinem Kopf aufgetaucht ist. Ein anderes Mal hatte ich ein Gesicht vor mir – ganz kurz nur, dann war es wieder verschwunden.“
    „Namen?“, wollte Enno wissen.
    Livia zuckte die Achseln. „Karen hat mal gesagt, ich hätte einen Jan erwähnt. Aber sonst …“
    „Das müssen wir im Auge behalten“, sagte Enno und blickte schon wieder aus dem Fenster.
    Livia rollte mit den Augen und sagte schnippisch: „Gute Idee. Du behältst Arvin und meine Erinnerungen im Auge und ich mach es mir im Wohnzimmer gemütlich. Viel Spaß noch.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ mit Spike im Schlepptau die Küche.
    ❧
    Als Enno bald darauf gegangen war, saß Livia noch lange nachdenklich in der Küche. Enno hatte sich zwar bei ihr entschuldigt und eifrig auf „gut Wetter“ gemacht, trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass ihre Freundschaft in einer Sackgasse steckte. Enno war einfach … ja, wie war er? Oberflächlich vielleicht? Oder gar langweilig?
    Livia tippte in regelmäßigen Abständen mit den Fingernägeln auf dem Tisch herum und ahmte auf diese Weise das Klackern nach, das Spikes Krallen auf den Küchenfliesen hinterließen. Er lief schon seit geraumer Zeit vor der Küchentür auf und ab.
    Livia warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war Viertel vor fünf. Kein Wunder, dass Spike unruhig war. Er wartete auf Arvin.
    Livia seufzte tief. Wieder einmal konnte sie Spikes Verhalten gut nachvollziehen. Sie ertappte sich selbst manchmal dabei, dass sie auf Arvin wartete. Obwohl es nicht auf Gegenseitigkeit beruhte, mochte sie ihn. Zumindest mochte sie die Tatsache, dass er Spike mochte. Enno hingegen hatte überhaupt nichts für Spike übrig. Er lehnte ihn zwar nicht ab, nahm ihn aber auch nicht wahr. Und im Grunde … war genau das auch Livias Problem. Enno hatte auch nichts gegen sie. Natürlich nicht. Aber er nahm sie auch nicht wirklich wahr. Ihre Erinnerungen vielleicht. Ihr Gestern. Das interessierte ihn. Aber nicht ihr Heute. Nicht ihre Gedanken. Dafür war er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Und mit der Frage, wann Arvin nach Hause kommen würde … Ja, wirklich, das war alles, worum er sich drehte. In letzter Zeit kam sich Livia nur noch wie eine Randerscheinung vor. Enno fragte schon lange nicht mehr, wie es Livia wirklich ging. Wie sie fühlte … was sie liebte … was sie fürchtete.
    Zugegeben … auch Arvin stellte solche Fragen nicht. Eigentlich stellte er überhaupt keine Fragen. Aber manchmal glaubte sie einfach zu wissen, dass viel mehr in ihm steckte, als er zum Ausdruck brachte. Dass er sich tausendmal mehr Gedanken machte als Enno.
    Gestern zum Beispiel, da hatte sie einen Blick von ihm aufgefangen, der so ernst und intensiv gewirkt hatte, dass sie ihm am liebsten nachgegangen wäre. Und überhaupt … war der Wunsch, diesen Mann – ihren Ehemann – endlich kennenzulernen, in letzter Zeit wieder unbändig gewachsen. Wer so lieben konnte wie er … und wenn es auch nur einen Hund betraf … konnte doch nicht wirklich verkehrt

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