Als Gott ein Kaninchen war
über Möglichkeiten und Glückhaben– darüber, ein Gewinner zu sein– ein Lied über die Liebe, nicht übers Weglaufen.
Sein Name hatte schon seit meiner Ankunft zwischen uns gesessen wie eine schrullige Anstandsdame, die eine altmodische Schicklichkeit in unsere Geschichten brachte. Es war, als gebühre ihm ein eigenes Kapitel, ein Moment, in dem wir die Seite umblättern würden und nur sein Name sichtbar wäre. Und als dann die Drinks bestellt waren, die Bar ruhig und unsere Aufmerksamkeit aufeinander gerichtet war, schlugen wir dieses Kapitel auf. Und nachdem er aufgehört hatte, an einer Handvoll Erdnüssen herumzukauen, sagte mein Bruder: » Du wirst ihn morgen sehen, okay?«
» Morgen?«
» Er kommt mit uns«, sagte er. » Um mich singen zu hören. Macht es dir was aus?«
» Warum sollte es?«
» Es geht nur so schnell, für uns, meine ich. Du bist ja gerade erst angekommen.«
» Ich komm klar.«
» Er wollte einfach«, sagte mein Bruder. » Er will dich sehen.«
» Schon okay, ich versteh das.«
» Sicher. Er wollte dich einfach sehen.«
» Ich will ihn auch sehen«, sagte ich und war drauf und dran, ihn zu fragen, ob sie wieder zusammen waren, aber da kamen unsere Martinis, und sie sahen perfekt und verlockend aus, und es war ja auch später noch Zeit für diese Frage. Also griff ich stattdessen nach meinem Glas, nahm den ersten Schluck und sagte » Perfekt!«, statt » Prost!«, denn so war es.
» Perfekt«, sagte auch mein Bruder und umarmte mich unversehens.
Er war wie Ginger geworden. Man musste sein Tun interpretieren, denn es wurde selten von Worten begleitet, weil seine Welt eine stille Welt war; ein abgekoppelter, gebrochener Ort. Ein Puzzle, das ihn veranlasste, mich um drei Uhr morgens anzurufen, um mir Fragen zu stellen, um nicht allein zu sein.
» Ich bin glücklich, dass du hier bist«, sagte er, und ich lehnte mich zurück und sah ihn an. Sein Gesicht war anders: weicher, die abgespannte Müdigkeit, die um seine Augen herumgelungert hatte, fort. Sein Gesicht wirkte tatsächlich glücklich.
» Das bist du, oder?«, stellte ich grinsend fest.
Das ältere Pärchen neben der Palme sah uns an und lächelte.
» So«, sagte mein Bruder.
» So?«
» Kann ich dir alles noch mal von vorn erzählen?«
» Klar«, sagte ich, und er stürzte sein halbes Glas auf einmal hinunter und fing noch mal am Anfang an.
Es war auf einer Stonewall-Party zur Erinnerung an die Ausschreitungen zwischen Polizei und Homosexuellen im Sommer 1969, eine Wohltätigkeitsveranstaltung, die mein Bruder seit Jahren unterstützte. In diesem Jahr fand sie in einem der großen Brownstone-Häuser am Rande von Greenwich Village statt. Man kannte sich, traf ehemalige Liebschaften, die üblichen Leute bewirteten, aber durch den Ticketverkauf und die stille Auktion kam immer einiges an Geld zusammen. Genauso wie durch die andere stille Auktion, von der nur die Unartigen wussten.
» Aber du wolltest nicht hin?«, fragte ich, um die Geschichte voranzutreiben, in Gefilde, die ich noch nicht kannte.
» Nein, wollte ich nicht. Aber dann fiel mir ein, dass ich mir ja längst ansehen wollte, wie die Renovierung des Hauses geworden war. Ich habe nämlich eine neue Bleibe im Auge und brauche dafür einen Architekten, was aber noch mal eine andere Geschichte ist, weil ich möchte, dass du dir das Haus morgen mit mir ansiehst.«
» Okay, okay, mach ich«, sagte ich und trank einen großen Schluck von meinem Martini, der mir sogleich zu Kopf stieg. » Aber jetzt erzähl weiter.«
Ein Streichquartett spielte in dem von Mauern umgebenen Garten, und er saß die meiste Zeit des Abends draußen und wurde dankbar von einem älteren Herrn namens Ray in Beschlag genommen. Der berichtete ihm von den Unruhen im Jahr Neunundsechzig und von Abendessen mit Katherine Hepburn und Marlene. Die kannte er, weil er als Kostümbildner bei MGM gearbeitet hatte. Aufgrund seiner deutschen Abstammung (mütterlicherseits) kannte er außerdem auch von Sternberg. Und dann schwand langsam das Licht, und Kerzen wurden gebracht, die die Luft mit dem Duft von Tee und Jasmin und Feige erfüllten. Als die Musik verklungen war, verließen die Leute den Garten und gingen hinein, um die Ergebnisse der Auktion zu erfahren. Und um vom japanischen Buffet zu kosten, das vom derzeit angesagtesten Caterer New Yorks in Szene gesetzt worden war. Und so kam es, dass sie sich allein wiederfanden. Es gab keine unschicklichen Angebote, nur die stille Vertrautheit der
Weitere Kostenlose Bücher