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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Titel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kerr
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französisch sprechen.«
    Max stampfte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck dahin.
    Dann sagte er: »Also, in meinem Fall wird das wohl eher früher sein als später.«
    Er blickte so grimmig drein, daß sogar Anna, die ihn gut kannte, über die Entschlossenheit in seinem Gesicht erstaunt war.

16
    An einem Donnerstagnachmittag, ein paar Wochen nachdem Anna angefangen hatte, zur Schule zu gehen, besuchte sie mit ihrer Mutter Großtante Sarah.
    Großtante Sarah war Omamas Schwester, aber sie hatte einen Franzosen geheiratet, der jetzt gestorben war, und wohnte seit dreißig Jahren in Paris. Mama, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hatte, zog bei dieser Gelegenheit ihre besten Kleider an. Sie sah sehr jung und hübsch aus in ihrem guten Mantel und dem blauen Hut mit dem Schleier, und als sie auf die Avenue Foch zugingen, wo Großtante Sarah wohnte, drehten sich ein paar Leute nach Mama um.
    Auch Anna trug ihre besten Kleider: Den Pullover, den Mama gestrickt hatte, ihre neuen Schuhe und Strümpfe und Onkel Julius’ Armband, aber ihr Rock und ihr Mantel waren schrecklich kurz. Mama seufzte wie immer, wenn sie Anna in ihren Straßenkleidern sah.
    »Ich muß Madame Fernand bitten, etwas mit deinem Mantel zu unternehmen«, sagte sie, »wenn du noch mehr wächst, wird er nicht mal deinen Schlüpfer bedecken.«
    »Was könnte Madame Fernand denn damit tun?« fragte Anna. »Ich weiß nicht - einen Streifen Stoff unten annähen oder sonstwas«, sagte Mama, »ich wünschte, ich verstünde mich selbst besser auf solche Dinge.«
    Mama und Papa waren in der vergangenen Woche bei den Fernands zum Essen gewesen, und Mama war voller Bewunderung für Madame Fernand zurückgekommen. Madame Fernand war nicht nur eine gute Köchin. Sie nähte auch selbst alle Kleider für sich und ihre Tochter. Sie hatte das Sofa neu bezogen und ihrem Mann einen schönen Morgenmantel genäht. Sie hatte ihm sogar einen Schlafanzug geschneidert, weil man die Farbe, die er sich wünschte, im Laden nicht bekommen konnte.
    »Und sie macht alles mit so leichter Hand«, sagte Mama, für die schon das Annähen eines Knopfes eine Staatsaktion war, »als ob es überhaupt keine Arbeit wäre.«
    Madame Fernand hatte sich erboten, bei Annas Kleidern zu helfen, aber Mama hatte gemeint, daß man dieses Angebot nicht annehmen könne. Aber jetzt, wo sie sah, daß Anna an allen Ecken aus ihrem Mantel herauszuplatzen schien, änderte sie ihre Meinung.
    »Ich werde sie fragen«, sagte sie. »Wenn sie mir nur zeigt, wie man es macht, bringe ich es vielleicht auch selbst fertig.«
    Inzwischen waren sie an ihrem Ziel angelangt.
    Großtante Sarah wohnte in einem geräumigen Haus, das etwas von der Straße zurücklag. Sie mußten einen mit Bäumen bestandenen Hof überqueren, um es zu erreichen, und die Concierge, die ihnen Auskunft gab, trug eine Uniform mit Goldknöpfen und Litzen.
    Großtante Sarahs Aufzug war innen mit Spiegelglas verkleidet und trug sie geschwind nach oben, ganz ohne das Stöhnen und Zittern, an das Anna gewöhnt war. Die Wohnungstür wurde von einem Mädchen mit einer Rüschenschürze und einem Häubchen geöffnet.
    »Ich werde Madame sagen, daß Sie da sind«, erklärte das Mädchen, und Mama setzte sich auf einen kleinen samtbezogenen Stuhl, während das Mädchen einen Raum betrat, der das Wohnzimmer sein mußte.
    Als sie die Tür öffnete, konnte sie ein Stimmengewirr hören, und Mama machte ein besorgtes Gesicht und sagte: »Ich hoffe, wir kommen gelegen...« Aber gleich öffnete sich die Tür wieder, und Großtante Sarah kam herausgerannt. Sie war eine dicke alte Frau, aber sie bewegte sich in einem flotten Trab, und einen Augenblick lang fragte sich Anna, ob sie wohl anhalten könne, wenn sie sie erreicht hatte.
    »Nu!« rief sie aus und warf ihre schweren Arme um Mamas Schultern, »da bist du ja endlich! Wie lange habe ich dich nicht gesehen! Und so schreckliche Dinge passieren in Deutschland. Aber du bist in Sicherheit und gesund und das ist die Hauptsache.«
    Sie ließ sich auf einen zweiten Samtstuhl fallen, über den sie nach allen Seiten hinausquoll und sagte zu Anna: »Weißt du, daß ich deine Mutter zum letzten Mal gesehen habe, als sie ein kleines Mädchen war?
    Und jetzt hat sie selber ein kleines Mädchen. Wie heißt du?«
    »Anna«, sagte Anna.
    »Hannah - wie schön. Ein guter jüdischer Name«, sagte Großtante Sarah.
    »Nein, Anna«, sagte Anna.
    »Oh, Anna. Das ist auch ein schöner Name. Ihr müßt mich entschuldigen«,

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