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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Titel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kerr
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Mann, aber er schien nicht sehr überrascht.
    »Nein«, sagte Papa, »darum habe ich sie zurückgebracht.«
    Der Mann sagte nichts.
    »Und ich wäre froh, wenn Sie so freundlich wären, mir mein Geld zurückzugeben.«
    »Aber nein«, sagte der Mann. »Das kann ich nicht. Geschäft ist Geschäft.«
    »Aber die Maschine funktioniert nicht«, sagte Papa.
    »Hören Sie, mein Herr«, sagte der Mann und ließ für einen Augenblick das Tigerfell liegen. »Sie kamen hierher und kauften eine Nähmaschine. Jetzt haben Sie sich’s anders überlegt und wollen Ihr Geld zurück.
    Also, solche Geschäfte mache ich nicht. Ein Geschäft ist ein Geschäft und weiter ist dazu nichts zu sagen.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß ein Geschäft ein Geschäft ist, aber die Maschine ist zerbrochen.«
    »Wo?« sagte der Mann.
    Papa wies mit einer unbestimmten Handbewegung auf die Stelle. Der Mann ließ sich nicht beeindrucken.
    »Ein paar kleine Teile mögen nicht ganz in Ordnung sein. Es kostet Sie so gut wie nichts, sie ersetzen zu lassen. Sie können schließlich nicht verlangen, daß sie tadellos ist - bei dem Preis, den Sie dafür bezahlt haben.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte Papa, »aber da sie überhaupt nicht funktioniert, sollten Sie sie zurücknehmen, finden Sie nicht auch?«
    »Nein, das finde ich nicht«, sagte der Mann.
    Papa schien nicht mehr zu wissen, was er sagen sollte, und Anna sah ihre neuen Schuhe in weiter Ferne verschwinden. Sie wußte, daß Papa betrogen worden war, aber sie wußte auch, daß er nur das Beste gewollt hatte, und daß er nicht der Mensch war, der den Mann zwingen konnte, das Geld zurückzugeben.
    Sie seufzte, aber sie hatte nicht mit Madame Fernand gerechnet.
    »Jetzt hören Sie mal zu«, schrie Madame Fernand so laut, daß mehrere Passanten sich umdrehten. »Sie haben diesem Mann ein Wrack von einer Nähmaschine verkauft und ihm versichert, daß sie funktioniert.
    Das ist gegen das Gesetz. Ich werde sofort die Polizei benachrichtigen, und ich zweifle nicht, daß die sich auch für den anderen Kram hier sehr interessieren wird.«
    »Nein, meine Dame - bitte nicht!« rief der Mann.
    Seine Augen waren plötzlich weit offen.
    »Versuchen Sie nur nicht, mir einzureden, daß Sie auf ehrliche Weise an dieses Zeug gekommen sind«, rief Madame Fernand und zupfte verächtlich an dem Tigerfell. »An ihrem ganzen Geschäft ist überhaupt nichts Ehrliches. Wenn die Polizei mit Ihnen fertig ist, wird mein Mann, der Journalist ist, Sie in seiner Zeitung bloßstellen...«
    »Bitte, meine Dame!« rief der Mann noch einmal, und kramte in seiner Tasche. »Das ist doch nur ein Mißverständnis.« Und er reichte Papa hastig ein paar Scheine aus seiner schmierigen Brieftasche.
    »Stimmt die Summe?« fragte Madame Fernand streng.
    »Es scheint so«, sagte Papa.
    »Dann wollen wir gehen«, sagte sie.
    Sie waren erst ein paar Schritte gegangen, als der Mann hinter ihnen hergelaufen kam.
    Was ist denn jetzt wieder, dachte Anna ängstlich.
    Der Mann machte eine entschuldigende Geste.
    »Entschuldigen Sie, mein Herr, aber würde es Ihnen etwas ausmachen?« sagte er.
    Papa blickte an sich herunter und sah, daß er die Nähmaschine immer noch in der Hand hielt. Er stellte sie schnell hin. »Es tut mir schrecklich leid«, sagte er, »ich fürchte, ich war etwas verwirrt.«
    »Natürlich, mein Herr, selbstverständlich, mein Herr«, sagte der Mann, wenn auch keineswegs mit Überzeugung.
    Als Anna sich einen Augenblick später noch einmal umdrehte, war er gerade dabei, die Nähmaschine auf dem Tigerfell zurechtzustellen.
    Sie begleiteten Madame Fernand zu ihrer Metrostation.
    »Und machen Sie jetzt keinen Blödsinn mehr mit Nähmaschinen«, sagte sie, bevor sie sich trennten.
    »Sie wissen, daß Sie meine jederzeit borgen können.
    Und sag deiner Mutter«, fügte sie zu Anna gewandt, hinzu, »daß ich morgen vorbeischaue und ihr ein bißchen beim Flicken helfe.«
    Sie blickte Papa mit einer Art von Bewunderung an.
    »Sie beide«, sagte sie, »scheinen mir die beiden unpraktischsten Menschen in der ganzen Welt zu sein.«
    Anna und Papa gingen zusammen nach Hause. Es war kalt, aber der Himmel war von einem hellen, klaren Blau, und obgleich noch kein Zeichen des Frühlings zu sehen war, spürte man doch, daß er nicht mehr allzuweit entfernt sein konnte. An diesem Morgen hatte Anna im Diktat nur drei Fehler gehabt.
    Das Geld für ihre neuen Schuhe war sicher in Papas Tasche. Sie war sehr glücklich.

21
    Omama kam kurz vor

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