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Als ich unsichtbar war

Als ich unsichtbar war

Titel: Als ich unsichtbar war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pistorius Martin
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zurückmeldete, wie eine Sängerin im Theater, die der begeisterten Menge eine unzüchtige triumphale Zugabe gönnt.
    Nach dem Gespräch mit seinem Kollegen achtete mein Vater immer besonders darauf, mich vorsichtig in den Rollstuhl zu setzen und dafür zu sorgen, dass meine Hoden nicht eingequetscht wurden. Jedes Mal, wenn er es tat, verkroch sich Einsamkeit knurrend in ihre Einsiedlerklause, denn wenn mein Vater zeigte, dass er sich Gedanken über mein Wohlergehen machte, bezwangen wir Einsamkeit gemeinsam.

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    19
Pfauenfedern
    M eine ganze Konzentration ist darauf gerichtet, dass meine Hände nicht zittern, während ich auf den Computer starre. Ich muss methodisch vorgehen, meinen Weg durch das Problem auf dem Bildschirm vor mir Schritt für Schritt logisch durchdenken. Ich muss ruhig und besonnen bleiben, wenn ich es zu lösen versuche.
    »Was soll ich als Nächstes tun?«, fragt Virna, die neben mir sitzt.
    Ich bin mir noch nicht sicher. Ich starre auf den Bildschirm und spüre, wie mein Geist alles durchforstet, was ich über Computer gelernt habe, während der Stunden, die ich mit dem Verfolgen von Softwarevorführungen und dem Einüben neuer Programme verbracht habe. Ich habe das sichere Gefühl, die Antwort schlummert irgendwo in mir. Ich brauche sie nur zu finden.
    Es ist Februar 2003, ein Jahr nachdem ich meinen Laptop bekommen habe und fast zwei Jahre nach den Tests. Ich sitze mit Virna vor einem Computer im Gesundheitszentrum, das im selben Gebäude untergebracht ist wie das Pflegeheim. Sie hat hier vor ein paar Monaten angefangen zu arbeiten, und wir sehen uns immer noch oft, da sie ganz in meiner Nähe ist. Virna hat Wort gehalten, dass wir Freunde bleiben können, auch nachdem ich ihr gestanden habe, welche Gefühle ich für sie hege, und wir unterhalten uns weiter wie gewohnt. Meistens dreht es sich um alltägliche Dinge, und so erfuhr ich, dass es Probleme mit den Computern an ihrem Arbeitsplatz gibt.
    »Ab und zu haben wir Schwierigkeiten mit den Ventilatoren«, erzählte sie mir.
    Ich bezweifelte, dass dies die wirkliche Ursache der kleineren Störungen ist. Mir selbst das Lesen beizubringen mochte eine langwierige und schwierige Angelegenheit sein, im Vergleich dazu war das Erlernen der Computersprache ziemlich einfach. So wie ich früher die Uhrzeiten erfasst hatte, indem ich mir den Stand der Schatten merkte, versuche ich jetzt, Buchstabenformen auswendig zu lernen, und inzwischen beherrsche ich ein paar geschriebene Wörter. Vielleicht ist es nur eine Frage der Wiedererweckung meiner Begabung für Elektronik, die ich als Kind besessen hatte, aber ich habe entdeckt, dass ich Computer nahezu intuitiv verstehe, seit ich meinen ersten bekommen hatte. In den vergangenen Monaten habe ich mir den Gebrauch einer Reihe von Softwareprogrammen beigebracht, einschließlich eines Programms, das meine Symbole in Wörter übersetzt, sodass ich E-Mails verschicken kann, außerdem eins, das mir erlaubt, über meinen Laptop Anrufe entgegenzunehmen.
    »Hallo, Sie sprechen mit Martin Pistorius«, sagt meine Computerstimme. »Ich bin nicht in der Lage, selbst zu reden, daher spreche ich über einen Computer, und das erfordert einige Zeit. Deshalb bitte ich Sie um etwas Geduld.«
    Dennoch legen die meisten Menschen den Hörer auf, da die Farblosigkeit meiner computerisierten Stimme so hypnotisierend ist, dass sie glauben, es mit einem Anrufbeantworter zu tun zu haben. Aber zumindest habe ich das Problem angepackt, nachdem ich gebeten wurde, einen Vortrag über meine Erfahrungen zu halten. Die Mitarbeiter des hiesigen Gesundheitszentrums wollten mehr über mein Kommunikationssystem erfahren, weil sie durch die Leute vom Pflegeheim von meiner Geschichte gehört hatten. Doch nachdem ich vierzig Stunden damit verbracht hatte, eine Acht-Minuten-Rede einzugeben, stellte ich fest, dass meine Stimme derart monoton war, dass selbst Romeo seine Julia angeödet hätte, wenn er ihr auf diese Weise seine Liebe erklärt hätte.
    So begann ich damit zu experimentieren, wie ich meine Computerstimme natürlicher klingen lassen kann. Zunächst baute ich Pausen in die Sätze ein, sodass meine Computerstimme den Eindruck erweckte, sie müsse ›Luft holen‹. Danach beschloss ich, meine ›amerikanische Stimme‹ so zu modifizieren, dass sie eher dem ähnelte, wie ich geklungen hätte, wenn ich hätte sprechen können. Außerdem musste ich mich entscheiden, welche Stimme ich nehmen sollte: Genau wie manche Leute eine bestimmte

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