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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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hier einkaufen und mitnehmen. Das tun wir in einem der großen Lebensmittelläden, wo es die Waren im Dutzend billiger gibt. Man kennt uns hier bereits, denn vor jeder Exkursion an den Yuyapichis decken wir uns hier mit Vorräten ein.
    Als dann schließlich alle Pakete auf verschiedene Motocars verladen sind und in Richtung Tío Bepo abdüsen, atmen wir auf. Es ist bereits später Nachmittag, und seit dem Frühstück haben wir nur eine Kleinigkeit gegessen.
    »Was meint ihr«, frage ich meine Begleiter, »sollen wir nach Yarinacocha hinausfahren und in einem der schwimmenden Restaurants etwas essen?«
    Ich höre keinen Widerspruch, und schon ist ein Taxi angehalten. Denn für ein Motocar ist es zu der Lagune, einem Altwasser des Río Ucayali, doch recht weit.
    Wir bekommen einen Platz ganz außen am Wasser. Natürlich bestellen wir Fisch, der hier so frisch ist wie nirgendwo sonst. Ich blicke auf die Lagune hinaus, wo Fischer in ihren Booten die Stellnetze auslegen. Genau so ein Boot war es damals, denke ich, das mich zurück ins Leben brachte. Und während die anderen miteinander plaudern, kehren die Erinnerungen zurück, an damals, als ich dem Wasserlauf folgte, in der Hoffnun g …

9 Der große Fluss

Kapitelanfang
    … menschliche Siedlungen zu finden. Das Wasser fließt um meine Füße. Beharrlich setze ich einen Fuß vor den anderen. Aus dem Bach wird ein größerer Bach, schließlich fast ein kleiner Fluss. Die Tage ähneln sich, ich versuche mitzuzählen, nicht die zeitliche Orientierung zu verlieren. Die Intensität des Tageslichts zeigt mir die ungefähre Uhrzeit an, in den Tropen wird es morgens um sechs Uhr hell, pünktlich um sechs Uhr abends dunkelt es. Die Sonne selbst jedoch sehe ich selten, das Kronendach der Urwaldriesen ist zu dicht.
    Irgendwann lutsche ich das letzte Bonbon auf. Etwas anderes wage ich nicht zu essen. Da es Regenzeit ist, gibt es so gut wie keine Früchte. Ich habe kein Messer bei mir und kann mir keine Palmherzen aus den Stämmen schlagen. Ich kann auch keine Fische fangen oder Wurzeln garen. Ich weiß, dass vieles, was im Urwald wächst, giftig ist, also lasse ich die Finger von dem, was ich nicht kenne. Dafür trinke ich jede Menge Wasser aus dem Bach, das braun ist von aufgeschwemmter Erde, vielleicht ist das der Grund, dass ich keinen Hunger verspüre.
    Trotz meines Zählens geraten mir die Tage durcheinander. Am 29. oder 30 . Dezember, also am fünften oder sechsten Tag meiner Wanderung, höre ich einen Vogelruf, und sofort schlägt meine apathische Stimmung in Euphorie um: Es ist der eindeutige, unverwechselbare Ruf von Zigeunerhühnern, eine Mischung aus Schnarren und Stöhnen, und zuhause in Panguana hörte ich diesen Ruf oft. Diese Vögel nisten ausschließlich an offenen Gewässern, an größeren Flüssen, und genau das ist meine Hoffnung, denn dort siedeln auch Menschen!
    Mit neuem Auftrieb versuche ich, rascher voranzukommen und gehe den Vogelstimmen nach. Und tatsächlich sehe ich mich bald der Mündung »meines« Baches in einen Fluss gegenüber. Doch wenn ich gehofft habe, nun schnell dorthin zu gelangen, so habe ich mich getäuscht. Die Mündung ist durch eine große Menge Schwemmholz versperrt und von dichtem Gestrüpp überwuchert. Bald sehe ich ein, dass ich hier niemals durchdringen werde. Also entschließe ich mich, das Bachbett zu verlassen und die Barrieren zu umgehen. Es kostet mich Stunden, mich hier durch den Urwald zu kämpfen. Die Mündung ist dicht zugewachsen mit über vier Meter hohem Schilf, der Caña Brava, und die scharfen Halme schneiden mich in Arme und Beine, wenn ich nicht achtgebe. Doch die Rufe des Zigeunerhuhns und das Dröhnen der Suchflugzeuge machen mir immer wieder Mut.
    Meine Mutter hatte diese Schopfhühner oder Hoatzins, wie sie auch genannt werden, eingehend erforscht und wichtige Details über das Brutverhalten beobachtet und beschrieben. Die interessanten Tiere sehen nicht nur wunderschön aus, sondern gehören einer sehr ursprünglichen, nur in Südamerika beheimateten Vogelordnung an und erinnern entfernt an den Urvogel Archaeopteryx, denn wie jener haben ihre Jungen Krallen an den Flügeln. Da ihre Eltern die Nester nicht nur äußerst schlampig, sondern auch über dem Wasser bauen, können sie die Krallen gut gebrauchen, denn nicht selten fällt so ein Schopfhühnchen aus dem Nest, fängt sich mithilfe seiner Flügelkrallen am Geäst und klettert wieder zurück. Die Küken können außerdem hervorragend schwimmen.
    Endlich

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