Als ich vom Himmel fiel
aufnehmen und unterscheiden lernen. Daneben haben diese Tiere aber auch Kommunikationsrufe, die für uns hörbar sind, und ich lernte dieses Spektrum im Laufe der Zeit recht gut kennen. Etwas ganz Besonderes war es, während der Trockenzeit an den Blüten der Balsa-Bäume in Flussnähe die Rufe der großen Blattnasen-Fledermäuse zu hören und sie beim Fressen des Pollens aus den riesigen cremefarbenen Blütenkelchen zu beobachten. Andere Fledermäuse flogen in Scharen um die großen Feigenbäume, von denen es in Panguana mehrere Arten gibt. Die für Menschen nicht genießbaren Feigen dieser Bäume sind neben den Zekropienfrüchten eine wichtige Nahrungsquelle für viele fruchtfressende Fledermausarten. Sehr beeindruckt hat mich das Sozialverhalten einer Fledermausart, deren Männchen sich einen Harem halten, den sie mit Gesängen, Tänzen und Duftsignalen, die sie aus Taschen in der Haut am Armknochen verströmen, bei Laune halten. Was tut man nicht alles für die holde Weiblichkeit!
Schließlich zählte ich 52 verschiedene Fledermausarten. Heute wissen wir, dass es insgesamt mindestens 53 sind. Das ist eine ganze Menge für die damals zwei Quadratkilometer große Fläche von Panguana, wenn man bedenkt, dass in ganz Europa nur 2 7 Arten vorkommen.
Mein Bat-Detector wurde mir übrigens später auf dem Flughafen von Lima direkt aus dem Koffer gestohlen, als ich in der Warteschlange stand, um nach Deutschland zurückzufliegen. Der Koffer war zu voll und klaffte auf einer Seite leicht auseinande r – das hatte dem Langfinger genügt. Mit Sicherheit hatte der Dieb wenig Freude an dem Gerät, denn es produziert nur ein Rauschen, und mit den Fledermausstimmen konnte er bestimmt nichts anfangen. So hatten wir beide Pech, der Dieb und ich.
Nach Michaels Abreise bekam ich bald wieder neue Gesellschaft. Manfred, ein österreichischer Doktorand, der von meinem Vater von Panguana erfahren hatte, erforschte fortpflanzungsbiologische Aspekte der Froscharten an dem großen Waldtümpel, über den auch Andreas schon gearbeitet hatte, und blieb ein ganzes Jahr. Auch mit ihm verstand ich mich gut. Wir teilten uns das Wohnhaus, inzwischen ein neues, denn das meiner Eltern war, so wie unser früheres Arbeitshaus und die ursprüngliche Küchenhütte, leider zusammengebrochen. Das neue Haus hatte keine Wände, und wir schliefen auf dem Fußboden auf Matratzen mit Moskitonetzen, jeder in einer der dem Wald zugewandten Ecken, sodass wir auch bei einem Unwetter, das meist von der Flussseite kommt, nicht nass wurden. Ich hatte es mir ganz hinten, abgeschirmt durch zwei Regale, bequem gemacht. Später zog ich auf den Dachboden unseres mit Palmenwedeln gedeckten Hauses um, wo es besonders gemütlich war, wenn es regnete und ich bei dem gleichmäßigen Rauschen direkt über mir wunderbar einschlafen konnte. Meist kam ich nach Mitternacht oder auch erst gegen zwei Uhr morgens aus dem Wald, badete im Fluss und ging dann schlafen, jedoch nie, ohne vorher noch etwas bei Kerzenlicht zu lesen.
Manfred war ebenfalls in der Dunkelheit unterwegs, denn auch die meisten Frösche am Tümpel sind nachtaktiv, doch Manfred und ich gingen unserer Arbeit entsprechend verschiedener Wege. Am Tag arbeiteten wir das in der Nacht Beobachtete und Gesammelte auf, führten Tagebuch und trugen Daten zusammen. Ich fing nicht nur Fledermäuse, die ich vorsichtig einzeln in Stoffbeutelchen unterbrachte und meist dort, wo ich sie erbeutet hatte, auch wieder freiließ. Ich sammelte ihren Kot, um das Nahrungsspektrum zu ergründen, und auch die Lausfliegen aus ihrem Fell. Denn Fledermaus-Lausfliegen sind spezielle Parasiten, die ich in meiner Dissertation ebenfalls berücksichtigen wollte. Und dann gehörte zu unseren täglichen Aufgaben ja auch das Kochen, und damit musste ich immer schon früh am Vormittag beginnen, denn auf dem Holzfeuer dauerte es lange, bis alles fertig war. Abends steuerten wir die Reste unseres Mittagsmahls zum gemeinsamen Abendessen in gemütlicher Runde bei Moros Mutter Doña Lida bei, einer willensstarken, tüchtigen und herzlichen Frau, die auch heute noch in der Familie Módena eine Institution ist. Uns unterstützte sie tatkräftig, nahm mich mit offenen Armen auf und kümmerte sich um die Leute in Panguana, wenn wir nicht da waren. Sie und Panguana sind untrennbar miteinander verbunden, und ich nenne sie bis heute zärtlich »Tante«. Damals wohnte sie mit Teilen von Moros Familie nahe bei unserem Stationshaus, während Moro noch auf der
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