Als Mrs Simpson den König stahl
aus der Schiffsbibliothek entfernen, damit jeder eine eigene Kabine bekommt. Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand etwas dagegen hat, in einer leicht modrigen Kabine zu schlafen. Und wenn es so viel anderes zu tun gibt, wird die alten Bücher sicher auch niemand vermissen, meinst du nicht, Vangey?«
Wallis hatte gelacht und mit den Händen in der Luft gewedelt. Dabei wurde Evangelines Aufmerksamkeit auf ein Armband gelenkt, an dem mehrere verschiedenfarbige Kreuze baumelten. Als sie Evangelines Blick bemerkte, erklärte Wallis: »Wenn etwas Wichtiges geschieht, an das David sich erinnern möchte, graviert er das betreffende Datum auf einem dieser Kreuze ein. Schau dir das letzte an! Siehst du, was da steht, in seiner eigenen Handschrift? ›Gott schütze den König für Wallis 16. VII . 36‹ Das soll ihn an den Tag erinnern, als er dem Attentat entging! Ist er nicht zum Schreien?«
Evangeline hoffte, allerdings ohne große Überzeugung, dass die zusätzliche Kabine an Bord der Nahlin nicht dazu geschaffen worden war, um sie unterzubringen. Sie verabscheute Moder. Aber die Sache mit der Jacht hörte sich wunderbar an. Sie gehörte Lady Annie Henrietta Yule, der Witwe eines Mannes, der sich in Indien mit Tee, Jute und Papier eine goldene Nase verdient hatte. Lady Yule hatte John Brown & Co., die berühmte Schiffswerft in Clydebank, damit beauftragt, für sie das erste Privat-Dampfschiff zu bauen.
Der Aufwand, den der König zu betreiben gedachte, um sich und seinen Gästen einen so angenehmen Sommerurlaub wie möglich zu verschaffen, kannte keine Grenzen. Mannschaft, Ver
pflegung, Getränke, Gelegenheiten zum Faulenzen, Tanzen, Schlafen und Lieben – alles sollte den höchsten Standards entsprechen.
»David hat für die Reise sogar einen riesigen Vorrat an Golfbällen bestellt, sodass es nicht darauf ankommt, wie viele er ins Meer schlägt!«, kicherte Wallis.
Für die Ratgeber des Königs stand jedoch nicht der Luxus an erster Stelle, sondern seine Sicherheit. Die Nahlin sollte von zwei Zerstörern begleitet werden, der Glow Worm und der Grafton , und zufällig war auch Mays Bruder als Offizier der Royal Navy abkommandiert worden. Seit er in den Freiwilligendienst eingetreten war, hatte Sam seine Vorgesetzten mit seiner Leistung zunehmend beeindruckt. Mit der Verantwortung für die Bewachung der wertvollen Fracht und der täglichen Zustellung gewisser Staatspapiere an Bord der Nahlin wurden nur die verheißungsvollsten und zuverlässigsten jungen Rekruten betraut.
Der Mannschaft gehörten mehrere Burschen an, die auf den Äußeren Hebriden aufgewachsen waren, und diese Verbindung mit der Heimat seiner Mutter machte Sam glücklicher, als er seit langem gewesen war. Der Mannschaft war mitgeteilt worden, die Nahlin sei für den Monat August von einem gewissen zurückgezogen lebenden Herzog von Lancaster gemietet worden, von dem niemand etwas wusste und dem bislang auch niemand je begegnet zu sein schien. Aber wer auch immer er sein mochte, die Mannschaft der beiden Zerstörer würde dafür sorgen, dass die Sicherheit des geheimnisvollen Herzogs gewährleistet war.
Nach einigen Bedenken hatte Evangeline ihren schwarzen Badeanzug eingepackt. Sie hatte sich Sorgen gemacht, weil sie sich mit angemessener Kreuzfahrtgarderobe nicht auskannte, zumal Wallis' Ratschläge, was sie packen sollte, überhaupt nicht hilfreich gewesen waren. Dabei hegte sie keinen Zweifel, dass Wallis ihre eigene Ausstattung für die Schiffsreise mit dem üblichen Gespür und sorgfältiger Präzision geplant hatte.
»Ach, nimm einfach irgendwas mit, Vangey!«, hatte Wallis sorglos gesagt. »Ich werde mich ganz leger kleiden, und selbst Davids Leibdiener hat nur einen einzigen richtigen Anzug gepackt, die obligatorische Notausrüstung für den Fall einer königlichen Bestattung. Ansonsten hat David vor, seine Garderobe so lässig zu halten wie im Fort, und du weißt ja, was das heißt.«
Evangeline wusste es nur zu gut. Die abgetragenen Shorts, die während der Rettungsmission im Swimmingpool des Forts als Badehose gedient hatten, waren danach noch oft in Erscheinung getreten. Evangeline selbst hatte sich seit ihrem Missgeschick nicht wieder ins Wasser gewagt. Man hatte ihr gegenüber keine unfreundlichen Bemerkungen gemacht, doch sie argwöhnte, dass der kleine Unfall hinter ihrem Rücken ausführlich erörtert worden war.
Evangeline hatte sich zwischendurch immer wieder gefragt, ob es nicht klüger wäre, im August in Cuckmere zu
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