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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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Kammerdienern des Königs und mehreren unanfechtbar verheirateten Paaren zusammen, darunter die beängstigende Lady Diana Cooper und ihr Mann Duff, ein Parlamentarier. Mrs Merryman hatte beschlossen, den Sommer über auf der anderen Seite des Atlantiks zu bleiben. Das war bedauerlich, denn ihre Anwesenheit hätte die Schmach, eine Frau ohne Begleitung zu sein, erträglicher gemacht. Natürlich gab es unter der Mannschaft etliche Junggesellen, doch selbst Evangeline
musste sich eingestehen, dass eine Dame mittleren Alters aus Baltimore in einem Deckarbeiter aus Griechenland, der kein Englisch sprach, wohl kaum einen geeigneten Galan finden dürfte, nur um Julian eine Lehre zu erteilen und ihm vor Augen zu führen, was er verpasste.
    Die Gäste gewöhnten sich an die tägliche Routine der reinen Schwelgerei, bei der es an nichts fehlte. Mitarbeiter waren zur Stelle, um jede Laune zu befriedigen, und ein Großteil der Zeit wurde mit Nichtstun verbracht. Man faulenzte in den Luxuskabinen, streckte sich auf Chaiselongues mit tiefen Polstern und weichen Kissen aus, aß Fisch, der noch eine Stunde zuvor im Wasser geschwommen war, brütete über einem Puzzle, spielte Karten, plauderte belanglos miteinander, flirtete, las oder döste vor sich hin – Aktivitäten, die einen entspannten Urlaub ausmachten. Der König jedenfalls war in Hochstimmung. Er hatte sich ein Garnelennetz zugelegt, das er ins Wasser hielt, während er in einem kleinen Beiboot neben der Nahlin im Meer trieb. Seine aufmerksamen Untertanen beugten sich über die Reling des Schiffes und ermutigten ihn.
    »Da ist etwas Großes, Sir«, sagten sie und zeigten hilfsbereit auf das erspähte Objekt, während der König jedes Mal, wenn er auch nur eine Qualle gefangen hatte, wie ein Schulbub jauchzte. An einer silbernen Kette um seinen Hals baumelten zwei Kreuze, die genau wie die am Armband um Wallis' Handgelenk in der Mittelmeersonne funkelten.
    Immer wenn die Gäste an Land gehen wollten, um die Inseln zu erkunden oder in einem Restaurant zu Abend zu essen, wartete schon eine Meute Fotografen auf sie, um sie abzufangen. Und sobald der König, statt der vertrauten Zigarette eine kecke Ferienpfeife im Mund, vormittags von Bord ging, um Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, ertönten laute Hurrarufe in übertriebenem britischem Akzent. In Dubrovnik erinnerten ein paar Romantiker daran, wie wichtig es für die Liebe sei, »Lang lebe die Liebe!« in ihrer eigenen Sprache zu rufen: Živila ljubav! Ein
paar Tage später glitt die Nahlin durch den sechs Kilometer langen Kanal, der den Isthmus von Korinth durchschneidet, die einzige Landverbindung zwischen der Halbinsel Peloponnes und dem übrigen griechischen Festland. Die aufragenden Ufer des Kanals ähnelten dem Eingang eines ägyptischen Grabmals, führten jedoch nicht etwa zu einer längst aufgegebenen Begräbnisstätte, sondern ins goldene Licht des Ionischen Meeres. Während der Kapitän die Nahlin durch die schmale Fahrrinne lenkte, verharrte der König, fasziniert von der heiklen Operation, auf der Kommandobrücke. Um den Hals hatte er einen Feldstecher hängen. Von dem Manöver vollkommen in Anspruch genommen, schien er die Aufmerksamkeit, die sein halb nackter Körper erregte, nicht zu bemerken. Die jubelnden Zuschauer waren entzückt über derlei Ungezwungenheit. Evangeline, die die Szene von der Reling aus beobachtete, fiel Lady Dianas missbilligender Schmollmund auf.
    Als die anderen Gäste an Land gingen, entschied sich Evangeline, auf der Jacht zurückzubleiben, im Schatten. Während der ersten Woche war sie noch entschlossen gewesen, alles mitzumachen. Aber sie hatte schnell herausgefunden, wie kurzatmig sie war und dass ihr auf den gefährlich schmalen Wegen schwindlig und übel wurde. Die Pfade waren im Laufe der Jahrhunderte von unzähligen heimischen schwarz-weiß gemusterten Ziegen getrampelt worden, die auch jetzt noch, ohne zu stolpern, kreuz und quer über die felsigen Inseln wanderten. Doch jeder Schritt eines Segeltuchschuhs sandte Kaskaden kleiner Steine über die Klippenwände, und jede dieser Mini-Lawinen höhlte die Fußwege weiter aus. Die meisten Gäste der Nahlin verstanden es, sich zuversichtlich einen Weg zu bahnen; Evangeline jedoch war derlei körperliche Beweglichkeit verwehrt, und die Schönheit der Aussicht hoch oben über dem lichtertanzenden Meer wurde von ihrer Angst beeinträchtigt, Hunderte Meter tief ins Wasser hinabzustürzen.
    Evangelines Angewohnheit, zu trödeln, sei es,

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