Als Mrs Simpson den König stahl
neben ihm auf die Bank plumpsen und umklammerte, noch immer leicht schwankend, Julians Knie, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Julian bemühte sich, nicht zurückzuzucken, als er ihren feuchten Kuss auf seiner Wange spürte.
»Meine Güte, was für eine Überraschung, Sie an einem so windigen Tag zu sehen! Das ist Loafer, Slippers Welpe. Sie wissen schon. Der Hund von Wallis. Wallis musste nach Suffolk. Geschäftlich. Im Fort haben sie alle Hände voll zu tun, da habe ich angeboten, mich, solange sie weg ist, um Loafer zu kümmern. Den Namen habe ich ausgesucht. Sie wissen schon. Wie der neue Schuh, von dem alle reden.« Sie überging seinen verwirrten Gesichtsausdruck und plapperte weiter. »Wallis hat die Vorstellung amüsiert, dass ein Slipper einen Loafer zur Welt bringt! Aber um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich glaube, Loafer ist ein bisschen verstört. Er macht mich noch ganz verrückt.«
Als Julian sie eingehender betrachtete, wirkte Evangeline tatsächlich leicht verrückt. Ihre Haare (ach ja, eine Perücke, fiel ihm mit einem Mal wieder ein) waren ungewöhnlich zerzaust, der kleine Hut mit Schleier saß bedenklich lose auf ihrem Kopf, ihre Wangen waren gerötet und ihre Stirn schweißbedeckt.
»Ihnen muss sehr heiß sein in dem Mantel«, sagte Julian.
»Oh, ich hatte nicht damit gerechnet, jemandem über den Weg zu laufen«, erklärte sie.
»Aber habe ich Sie nicht eben noch dort drüben mit einem Gentleman sitzen sehen?«, fragte Julian.
Wieder flammten ihre Wangen auf. »Ach so, ja, das war nur ein Bekannter von mir. Ich kenne ihn kaum.«
Sie sagt nicht die Wahrheit , dachte Julian. Mit dem Mann, mit dem sie so ins Gespräch vertieft gewesen war, war sie sicherlich mehr als nur »bekannt«. Julian meinte ihn von irgendwoher zu kennen, konnte sich aber nicht entsinnen, wer er war. »Wie merkwürdig, dass Sie an einem einzigen Vormittag gleich zwei Menschen, die Sie kaum ›kennen‹, über den Weg gelaufen sind!«
Evangeline blickte erschrocken drein und stand rasch auf. »Ja, ich muss weiter und Sie Ihrem Buch überlassen.«
Ohne ein weiteres Wort machte sie sich auf den Weg, eine hochgewachsene, aber gebückte schwankende Gestalt, die von einem kleinen Hund ausgeführt wurde. Julian sah ihr nach, als
sie davonschlingerte. Ab und zu zog sie brutal an der Leine des Hundes; hätte sie noch heftiger daran gezerrt, hätte sie dem armen Tier das Genick gebrochen.
Julian wurde von einem Platzregen überrascht, und als er das elegante georgianische Haus in der Piccadilly erreichte, merkte er, dass das Wasser durch den Mantelkragen auf seinen Hals sickerte. Er läutete zwei Mal. Vom Park war er geradewegs hierhergeeilt. Er bedauerte, dass das Gespräch mit Evangeline ihn aufgehalten und daran gehindert hatte, den Abstecher zur Buchhandlung zu machen. Als der Butler die Tür öffnete, sah er, dass Julian auf seine Uhr blickte.
»Sie sind keineswegs der Letzte, Sir«, beruhigte er ihn, »es muss am Wetter liegen, Sir.« Er sprach mit Julian auf die typisch ehrerbietige Weise, die die besten Bediensteten sich zu eigen machten, um sicherzustellen, dass Angehörige der Oberschicht nie das Gefühl haben mussten, im Unrecht zu sein.
Das Speisezimmer lag zur Straße hin im ersten Stock. Julian nahm sich von einem bereitgestellten Tablett ein Glas Champagner und gesellte sich zu den anderen Mitgliedern der Party, die an den geöffneten Fenstern standen.
Zu seiner Überraschung entdeckte er Lottie. Sie saß neben Rupert auf der hohen Fensterbank und ließ ihre eleganten Beine baumeln. Wieso war sie nicht auf dem Land?
»Hallo, Julian, du hast doch nicht etwa geglaubt, dass ich mir eine gute Party entgehen lasse, oder?« Ihr sorgloser Tonfall stand im Widerspruch zu ihrer ängstlichen Miene.
Julian zwang sich zu einem Lächeln.
»Hallo, alter Junge«, sagte Rupert. »Schön, dass du dich von all den Vorlesungen losgeeist hast, um dich zu uns zu gesellen! Und wie schaut's aus in der Welt des juristischen Genies?«
»Das Trimester hat noch nicht begonnen«, antwortete Julian rasch. »Aber wie ich sehe, bist du in deinem Talbot wohlbehalten aus Berlin zurückgekehrt.«
»Der fährt wie der Wind«, erwiderte Rupert selbstbewusst, wirkte dabei aber merkwürdig betreten.
»Tut mir aufrichtig leid, dass es deiner Mutter nicht bessergeht«, sagte Julian.
»Danke. Ich muss Bettina daran erinnern, dass wir bald mal wieder hinfahren müssen, um Mama zu besuchen. Furchtbar schwierig, was man jemandem sagen
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