Als Mrs Simpson den König stahl
immer makellos mit schwarzem Anzug und Krawatte. Er begrüßte Miss Nettlefold, nahm von May kaum Notiz und hob den Koffer aus dem Kofferraum. Evangeline, den schlafenden Loafer im Arm, folgte ihm ins Haus, während May, die dicht hinter ihr ging, ihre Reisetasche selbst trug.
Es war Evangelines Idee gewesen, dass May die Nacht im Fort verbringen solle. Nachdem sie sich bereit erklärt hatte, Wallis den Hund zurückzugeben, war sie nervös geworden, was mög
liche Konsequenzen der Szene vom Vortag im Crystal Palace anging. Insgeheim plante sie, sich so krank zu fühlen, dass sie Grund genug hätte, am nächsten Morgen bereits in aller Frühe nach London zurückzureisen. Bevor sie sich auf den Weg zum Fort gemacht hatten, hatte sie Wallis angerufen.
»Wäre es nicht hüsch, wenn May über Nacht bleiben und uns beide morgen spazieren fahren könnte? Ich war noch nie in Eton, und immer wieder erzählen mir die Blunts von einem niedlichen kleinen Dorf in der Nähe, in dem es einen vorzüglichen Teeladen gibt.«
Osborne führte sie in den Salon, wo die zugezogenen Samtvorhänge den Nachthimmel aussperrten. Das Teegeschirr war noch nicht abgeräumt, und auf dem großen Hocker vor dem Kamin befand sich ein unberührter Teller mit Ei- und Kressesandwiches. Neben dem Kamin standen zwei Männer, der eine dunkelhaarig, der andere blond, und hielten blumengemusterte Tassen in der Hand. Sie waren so ins Gespräch vertieft, dass keiner von beiden Evangelines Eintreten bemerkte.
»Mrs Simpson ist von Rothermeres Vorschlag nach wie vor angetan«, sagte der König. »Wir würden die Krönung wie geplant im nächsten Mai abhalten. Da das endgültige Scheidungsurteil aber schon im April rechtskräftig wird, gibt uns das die Gelegenheit, den Hochzeitstermin noch vor der Krönung anzusetzen. Wenn ich gekrönt werde, wird Wallis an meiner Seite sein, verstehen Sie, aber nicht den üblichen königlichen Ehrentitel annehmen, der der Gemahlin eines Königs gebührt. Ich glaube, man nennt das morganatisch. Dieser Plan könnte alle unsere Probleme lösen, Walter, meinen Sie nicht?«
»Gewiss ist es einen Versuch wert«, erwiderte der dunkelhaarige Mann, »aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Baldwin oder die Übrigen von der Idee sonderlich begeistert sein werden. Immerhin, Winston und Mosley könnten diese Lösung befürworten, meiner bescheidenen Meinung nach. Überlassen Sie's fürs Erste mir, Sir.«
In diesem Moment erblickte der König Evangeline. Um die Aufmerksamkeit nicht auf die Prozedur zu lenken, die sie noch immer schwierig und unangenehm fand, hatte sie gelernt, den flüchtigsten aller Hofknickse zu machen.
»Meine liebe Evangeline, was haben wir denn da? Einen schlafenden Loafer! Sie müssen ihn auf den Wiesen von Sussex herumgehetzt haben! Osborne, bringen Sie den armen Hund in die Küche und sehen Sie zu, dass er etwas zu fressen bekommt.«
Aus dem freundlichen Tonfall des Königs schloss Evangeline, dass er von der abgebrochenen Radioaufnahme vom Vortag noch nichts gehört hatte.
»Kommen Sie. Darf ich Sie mit meinem Gast bekannt machen?« Der König winkte Evangeline zum Kamin. »Oder sind Sie Walter Monckton, meinem Anwalt, vielleicht schon vorgestellt worden? Wallis wird bald zu uns stoßen. Zigarette?«
Wie schon so oft lehnte Evangeline das Angebot dankend ab. Sie war irritiert, dass der König sich nie daran erinnerte, dass sie nicht rauchte. Sie war nervös. Seit Wallis' Rückkehr aus Suffolk vor drei Wochen hatte sie sie noch nicht gesehen. Auch von Sir John hatte sie in den vergangenen vierundzwanzig Stunden nichts gehört und wusste nicht, ob und wie er die beim Abschied ausgesprochene Drohung wahrmachen würde. Vielleicht hatte er ihr ja verziehen. Evangeline hoffte, dass man ihr wenigstens einmal einen Vertrauensbonus entgegenbringen würde. Hinter ihrem Rücken drückte sie sich selbst die Daumen.
Mr Monckton, ein freundlich wirkender Mann mit markanter Brille und einem Mittelscheitel, der Evangeline an Wallis' Haarstil erinnerte, schüttelte ihr kräftig die Hand. »Freut mich, Sie wiederzusehen, Miss Nettlefold. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt?«
»Oh, Evangeline findet ihren Weg ins Fort mit dem Spürsinn eines Schatzsuchers, Walter! Dieses Jahr war sie eine unserer häufigsten Besucherinnen, obwohl wir sie in letzter Zeit nicht
so oft gesehen haben. Wie geht's der trefflichen Miss May Thomas?«, erkundigte sich der König.
Trotz seines wie immer höflichen Benehmens schwand sein Lächeln
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