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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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PD , sagt sie immer zu mir. Pas devant , das soll heißen ›nicht vor ihnen‹.
Das ist der private Alarmruf der Blunts, vor den Bediensteten Diskretion zu wahren. Furchtbar unzeitgemäße Art, sich auszudrücken, nicht wahr? Ich kann's fast nicht ertragen. Außerdem denke ich, dass es viel zu viel Geheimnistuerei in der Welt gibt. Ich finde, man sollte stets die Wahrheit sagen, ganz gleich, mit wem man spricht. Hat Hooch Sie vom Bahnhof abgeholt?«
    May nickte. »Der arme Mann«, sagte sie. »Das arme Gesicht, meine ich.«
    »Ja, ich weiß«, stimmte der junge Mann ihr zu, und plötzlich wich seine neugierige Miene einem Ausdruck tiefen Ernstes. »Wir finden es alle erstaunlich, dass Hooch sich noch immer an ein Steuer setzen will. Die Verletzungen hat er erlitten, als er an der Somme einen Panzer lenkte und ihn ein Granatsplitter traf. Das ist zwanzig Jahre her, aber die Narben wird er für den Rest seines Lebens behalten. Er ist wirklich eine Inspiration.«
    In diesem Augenblick ging die Tür abermals auf.
    »Ah, Julian, wie ich sehe, haben Sie Miss Thomas schon kennengelernt.« In der Tür stand ein älterer Herr, der eine Schachtel Streichhölzer in der Hand hielt. »Ich fürchte, Sie werden Ihr Gespräch ein andermal fortsetzen müssen. Miss Thomas kommt jetzt mit mir.«
    Und ehe May sich verabschieden konnte, fand sie sich auch schon im Arbeitszimmer nebenan wieder. Bevor die Tür sich hinter ihr schloss, drang noch ein Flüstern durch den offenen Spalt.
    »Ich hoffe wirklich, dass Sie die Stelle bekommen.«
    Der ältere Mann drehte sich um und lächelte. Auch er hatte das Flüstern gehört.
    »Guten Tag«, sagte er zu May und sprach sie zum ersten Mal direkt an. »Ich bin Philip Blunt. Hat man Ihnen Kaffee angeboten? Gut. Kommen Sie herein. Und setzen Sie doch den Hut ab, Ihnen muss ja ganz heiß sein darunter!«
    Sir Philip schüttelte die Streichholzschachtel in seiner Hand,
doch sie war leer. Er hob eine Zigarre auf, die halb geraucht, aber erloschen in einem Aschenbecher auf dem Schreibtisch lag, und versuchte vergebens, sie zum Leben zu erwecken. Dann zog er eine verstellbare Schreibtischlampe heran und fuhr sich mit der Hand durch sein überraschend dichtes und altmodisch langes Haar, das die Farbe einer abgegriffenen Kupfermünze hatte.
    »Nun, soll ich beginnen?«
    »Ja, bitte«, erwiderte May und versuchte, Tante Gladys' Hut, der auf ihrem Schoß lag, nicht zu zerdrücken.
    Sir Philip umriss die Aufgabenbereiche, die die Stelle mit sich brachte, mit sparsamer Effizienz. Er erklärte, er sei einer von mehreren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden in Stanley Baldwins konservativer Regierung. Früher sei er Anwalt gewesen, und in dieser Eigenschaft fungiere er mitunter noch immer als Ratgeber.
    »Die Position sorgt für abwechslungsreiche und interessante Arbeit, aber ich verliere leicht den Kopf, deshalb könnte ich eine erstklassige Sekretärin und Chauffeurin gebrauchen.«
    Er benötigte jemanden, der ihn an den Wochentagen in London von Termin zu Termin fuhr und ihn von der Stadt aufs Land und vom Land in die Stadt brachte. Wenn er von ganztägigen Parlamentssitzungen in Beschlag genommen werde, hätte er gern, dass der Wagen seiner Frau Lady Joan, gelegentlich auch ihren beiden erwachsenen Kindern zur Verfügung stünde. Die inserierte Stelle umfasse Kost und Logis bei der Haushälterin, Mrs Cage, in ihrem Häuschen im Dorf. Für vereinzelte Übernachtungen, besonders bei spätabendlichen Parlamentssitzungen, sei ein kleines Zimmer neben der Vorratskammer des Butlers in St John's Wood vorhanden.
    »Und jetzt sind Sie an der Reihe«, sagte Sir Philip und paffte unnütz an seiner leblosen Zigarre.
    May schilderte, wie sie ihr Arbeitsleben in Barbados hinter sich gelassen hatte und nach England gekommen war, um bei ihrem Cousin zu wohnen. Sie erklärte, sie sei nicht nur Toch
ter, sondern auch Angestellte des Plantagenbesitzers gewesen. Als sie siebzehn war, habe ihr Vater ihr beigebracht, das Plantagenauto zu steuern, und sie habe ein beispielloses Vergnügen verspürt, sobald die Fahrertür zugefallen und der Motor angeworfen war, sobald das Auto auf ihre Berührung reagiert habe. Lange Stunden habe sie allein im Auto verbracht. Im Büro habe sie die wöchentlichen Rechnungsbücher abgeholt, bevor sie nach Speightstown gefahren sei, um auf der Post Briefe aufzugeben und auf der Bank die Lohnschecks der Arbeiter einzulösen; auch für die Wartung des alten Rolls-Royce sei sie verantwortlich

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