Als Mrs Simpson den König stahl
gewesen.
An der Kompetenz wie auch an der Leidenschaft, mit der sie sprach, konnte Sir Philip ablesen, dass sie über Automobile wahrscheinlich besser Bescheid wusste als viele ihrer männlichen Berufskollegen. Er brauchte sich nicht lange überzeugen zu lassen, dass die richtige Kandidatin für die Stelle vor ihm saß. Unbefangen spielte sie mit ihrem Haar, als sie ihm erzählte, sie habe gehört, dass die älteren Rolls-Royce-Modelle viel zuverlässiger seien als die späteren Versionen. Er hatte von einem zweitägigen Fortbildungskurs für erfahrene Chauffeure gehört, an dem sie vielleicht teilnehmen könnte, »wenn die Sache sich entwickelt«. Bei dieser Aussicht nickte May begeistert.
Der zweite Aspekt der Stellung umfasste Sekretariatsarbeiten im Haus.
»Ich habe meinem Vater bei der Buchhaltung auf der Plantage geholfen, seit ich zwölf war. Eine richtige Sekretärin konnten wir uns nicht leisten«, sagte sie ihm selbstbewusst. »Ich kann sechzig Wörter pro Minute tippen.«
Sir Philip wirkte beeindruckt.
»Es gibt vier Haupteigenschaften, die ich von meinem Personal verlange. Die ersten drei sind Flexibilität, Einsatzbereitschaft und Nüchternheit«, sagte er.
Zu jeder der Bedingungen nickte May mit dem Kopf.
»Und die vierte«, fuhr Sir Philip fort, »ist wahrscheinlich die
wichtigste von allen: Diskretion. Bei meiner Tätigkeit werden mir zahlreiche Geheimnisse anvertraut, von denen ich einige mit meiner Sekretärin teilen muss und von denen andere sich meiner Chauffeurin automatisch erschließen werden. Da Sie sich darum bewerben, beide Rollen einzunehmen, werden Sie wohl verstehen, weshalb ich auf diesem Thema ein wenig herumreite.« Er lächelte sie an. »Und ich hoffe, Sie sind ledig? Nicht, dass ich Liebesbeziehungen missbillige, aber sie neigen dazu, den Arbeitsablauf zu stören, verstehen Sie?«
Diesmal schüttelte May den Kopf, dann, um den Eindruck zu zerstreuen, dass sie ihm nicht zugestimmt haben könnte, wandelte sie das Kopfschütteln zu einem neuerlichen Kopfnicken ab. Trotz ihres Alters fand Sir Philip, dass der Eifer dieser jungen Frau mit dem flatternden Haar etwas Betörendes hatte. Sie hatte keine Empfehlungsschreiben mitgebracht, denen er nachgehen konnte, und er hatte nur ihr Wort. Aber sein Instinkt bewog ihn zu einem raschen Entschluss. Sir Philip drückte seine unangezündete Zigarre aus, und fuhr mit eindringlicher Stimme fort.
»Nun, Miss Thomas, es war mir ein Vergnügen, mich mit ihnen zu unterhalten. Ich weiß, es ist ziemlich kurzfristig, aber glauben Sie, Sie könnten die Stelle unverzüglich antreten? Wir hatten einige Scherereien mit dem ehemaligen Stelleninhaber und mussten ihn bitten, schnellstmöglich seinen Abschied zu nehmen«, erklärte er, »weshalb wir in einer misslichen Lage sind. Wie Sie sehen, haben wir nicht mal mehr Streichhölzer! Wie auch immer, vielleicht möchten Sie mit Ihren Verwandten telefonieren. Haben sie einen Telefonanschluss?«
Telefonapparate gehören zur britischen Lebensart, dachte May bei sich. Sie merkte, wie schnell diese und so viele andere Dinge, die sie von zu Hause her nicht gewohnt war, Bestandteil ihrer neuen Existenz wurden. Sie hoffte, dass Nat noch in der Werkstatt war und sie ihn, wenn sie sich beeilte, erreichen konnte. Sir Philip hatte bereits Vorkehrungen für ihre Uniform
erwähnt. Sein Schneider könne im Handumdrehen etwas für sie anfertigen. Hose oder Rock? Was bevorzuge sie? Ja, ja, hatte Sir Philip ihr zugestimmt, eine Hose – sehr viel praktischer. Er dachte wirklich an alles.
Bevor May ihrem Cousin ausführlich erklären konnte, was in der Stunde zuvor geschehen war, verrieten ihr die hohen Pieptöne der Vermittlung, die aus der Hörmuschel drangen, dass ihre Zeit abgelaufen war. Aber Nat hatte bereits genug mitbekommen, um Sarah, die gerade in der Werkstatt war, zuzurufen:
»May hat die Stelle an Land gezogen! Die haben nicht mal nach Empfehlungsschreiben gefragt!«, und May hörte ein fernes, aber frohlockendes »Ein Hurra für May!«, bevor die Telefonistin ihr sagte, dass die ihr zugeteilte Zeit abgelaufen sei und sie den Hörer auflegen müsse.
Am folgenden Morgen war es noch dunkel, als May in dem winzigen Schlafzimmer in Sussex aufwachte, das sie jetzt ihr Eigen nennen durfte. Sie schüttelte die Daunendecke mit dem dunkelrot-grünen Paisleymuster glatt und zog sie bis unters Kinn. In der Nacht war die Decke vom Bett geglitten und in einem Haufen zu Boden gefallen, sodass May zum Zudecken nur
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