Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
hatte, auch in Zukunft mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten.
Und dann, ein wenig später – die Bambi-Verleihung war vorbei und ich hatte es endlich einmal geschafft, einen ruhigen, entspannten Abend zu Hause zu verbringen, ohne Termine, ohne Telefoninterviews und ohne Auftritte – saß ich in meinem Wohnzimmer, Jogginghose, Pizza und Glotze an, zappte ein wenig durch die Programme und dann blieb ich plötzlich erschrocken hängen.
Es kam ein Bericht über einen Musiker, der eine Sprechstörung hat. Vom Stotterer zum Star hieß der Film – und er handelte von mir. Das Stück Pizza, das ich gerade essen wollte, blieb mir um ein Haar im Hals stecken, ich konnte gar nicht so recht glauben, was ich da sah. Man zeigte kurze Ausschnitte von Interviews, einfach Szenen, in denen ich redete und in denen ich kurz hängen geblieben war. Dazu schnitt man immer wieder Statements von Sprachpsychologen und irgendwelchen Stars, die scheinbar wichtige Statements über mein Problem abgaben.
In diesem Moment hatte ich die Welt nicht mehr verstanden. Ich und mein Stottern waren zu einem öffentlichen Thema geworden. Es ging hier nicht um meine Musik, meine Songtexte und meine Livekonzerte, sondern um ein bis dahin wohlweislich und mit Bedacht gehütetes Geheimnis. Meinen so sehr gefürchteten Auftritt bei der Bambi-Verleihung hatte ich gerade mit der Hilfe von Markus so derart gut hinbekommen und aus diesem Erlebnis letztlich sehr viel Kraft geschöpft – und nun so etwas.
Der Erfolg war somit noch unübersichtlicher geworden. Die Maschine, die mit Große Freiheit angeschmissen worden war, konnte ich nicht mehr steuern. Warum musste über mein Privatleben gesprochen werden? Warum holte mich mein Erfolg überall ein – auch in den privaten Bereichen, die ich doch immer schützen wollte? Unzählige Fragen schwirrten durch meinen Kopf. Und am Ende war mir klar, dass nach diesem TV-Bericht vermutlich jeder nur darauf warten würde, dass ich bei einem Interview oder Gespräch plötzlich stottern könnte. Ein unschöner Gedanke …
Echo 2011
Hätte ich nun geglaubt, dass dieser Höhenflug ein Ende nehmen würde, dann hätte ich mich doch sehr getäuscht. Unheilig hatte Anfang 2011 die Millionengrenze geknackt und ein Ende war noch längst nicht abzusehen. Zeit, einmal innezuhalten, gab es nicht und irgendwann wurde auch noch bekannt, dass Unheilig 2011 für sechs Echos nominiert sein würde. Sechs Echos!
Doch auch diese Freude blieb nicht ungetrübt, denn wir wussten schon bald, dass man mit derart vielen Nominierungen eigentlich nur verlieren konnte. Gewinnst du nur einen Echo – was ja im Grunde für mich ein wahnsinniger Erfolg gewesen wäre –, bist du der Looser, der große Verlierer, weil du die anderen fünf nicht geholt hast. Eine Zwickmühle, aus der es im Grunde keinen Ausweg gab. Uns blieb nur eines: Abwarten und hoffen!
Dazu kam – nach diesem unseligen TV-Bericht – natürlich auch meine Angst, bei der Echo-Verleihung in einem ganz anderen Bereich scheitern zu können: bei einer etwaigen Dankesrede. Wer einen Echo bekam, musste naturgemäß auf die Bühne hoch und ein paar Worte des Dankes sprechen. Da nun jeder wissen konnte, dass ich ein Stotterer war, wurde diese Aufgabe für mich ungleich schwerer.
Aber unsere Ängste blieben gottlob völlig unbegründet, denn am Ende wurden es drei Echos. Am Vorabend der Veranstaltung hatten wir bereits den sogenannten Produzenten-Echo gewinnen können. Ein Preis, der auch an mich persönlich ging, war ich doch bei der Großen Freiheit nicht nur als Musiker und Komponist verantwortlich, sondern auch als Produzent.
Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich an diesem Abend für einen kurzen Moment an meinen ehemaligen Weggefährten und Produzenten denken musste. Der Mensch, der mir später mein Leben als Musiker so ungemein schwer gemacht hatte. Ich hielt den Produzenten-Echo in der Hand – einen Preis, den er nie gewinnen konnte …
Viel wichtiger aber war, dass wir bei der großen Feier den Echo für das beste Album in Empfang nehmen durften, worauf wir alle unglaublich stolz waren. Und auch erleichtert, weil die Erwartungen, die uns plötzlich entgegengeworfen wurden, letztlich doch auch unbarmherzig und gewaltig waren.
Heute muss ich immer ein wenig grinsen, wenn ich an ein Foto denke, das auf dem roten Teppich in den Veranstaltungssaal geschossen wurde. Es zeigt mich mit Wladimir Klitschko zusammen in einer lustigen Faust-Pose. Seinen älteren
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