Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
sehr schlecht. Er konnte sich kaum noch regen und auch das Sprechen fiel ihm sichtbar schwer. Aber dieser Mann hatte mich noch einmal sehen wollen, und nun war ich bei ihm. Ich saß an seinem Bett, hielt ihn bei der Hand und sprach mit dem Mann und dessen Familie. Die Angehörigen dieses Sterbenden schilderten mir, mit welcher Sorgfalt dieser Mensch seinen bevorstehenden Tod vorbereitet hatte und wie gefestigt er die ganze Situation tragen würde.
Ich war zutiefst beeindruckt und überrascht, wie offen man über das Sterben und den Tod sprechen konnte. Gleichzeitig war es für mich sehr schwer, die richtigen Worte zu finden, schließlich konnte man Menschen in diesem ernsten Zustand nicht mehr mit den sonst gewohnten Floskeln wie »Das wird schon wieder« oder dergleichen beruhigen. An diesem Ort wurde nichts wieder – hier wurde eigentlich nur noch gestorben …
Nach etwa einer Stunde wechselte ich das Zimmer, um eine junge Frau zu besuchen. Als ich den Raum betrat, fiel es mir richtig schwer, zu begreifen, wo ich eigentlich war. Dieser jungen Frau konnte man nicht ansehen, dass sie sehr schwer erkrankt war. Sie saß da – äußerlich gesund – und erzählte mir, wie sehr sie sich um ihre Familie und Freunde sorgte. Ich durfte in diesem Moment einen ganz besonderen Menschen kennenlernen, für den der Tod etwas völlig Normales zu sein schien. Und das in diesem jungen Alter!
Alles, was ich an diesem Abend für diese Menschen tun konnte, war, da zu sein. Da sein, zuhören, die richtigen Worte finden, die Hand halten – und auch zusammen weinen. Das war es, was ich an diesem Abend leisten musste, nachdem ich nur kurz zuvor aus dem gleißenden Studio des Stefan Raab gegangen war. Was für ein bemerkenswerter Kontrast.
Auf dem Flur des Hospizes standen viele Menschen – Helfer, Angestellte und Patienten –, die auf mich zu warten schienen. Und so verbrachte ich auch dort noch mehrere Stunden in dieser Nacht, sprach mit unzähligen Menschen, die mich allesamt zutiefst beeindruckten, und musste am Ende feststellen, dass gerade an diesem Ort doch erstaunlich viel gelacht oder zumindest gelächelt wurde. Der Tod hatte an diesem besonderen Ort keine hässliche Fratze – er zeigte sich mit einem gütigen Lächeln …
Dieser Besuch in dem Sterbehospiz hat mich zu dem Titel »Ein guter Weg« inspiriert. Diese Zeile kam mir in jener Nacht, in der ich nicht mehr so richtig meinen Schlaf finden konnte. Und doch hat mir dieser – und alle späteren Hospiz-Besuche – viel gegeben. Und es beeindruckt mich noch immer, dass die Sterbenden in diesen schweren Stunden die Menschen sind, die am meisten Kraft und Hoffnung verbreiten können. Das ist und war eine unvergleichbare Erfahrung.
Bundesvision Song Contest
Und die Reise ging immer weiter. Beim Bundesvision Song Contest sollten wir also für Nordrhein-Westfalen antreten, und so waren wir im Vorfeld bereits mächtig aufgeregt, schließlich hatten wir bis dahin an keinem »Wettbewerb« teilgenommen, bei dem die Zuschauer per Telefon abstimmen konnten, welches Lied ihnen am besten gefiel.
Als Song hatten wir »Unter deiner Flagge« gewählt – das Lied, das ich meiner Mutter gewidmet hatte. Ich hatte mir immer gewünscht, meiner Mutter eines Tages angemessen Danke zu sagen, und nun gab es dieses Lied, das nur für sie entstanden war. Für das offizielle Bewerbungsvideo konnten wir einen Kindergarten in Ochtrup gewinnen, und dann war es endlich so weit – der Bundesvision Song Contest sollte beginnen.
Der gesamte Wettbewerb war natürlich irgendwie ein Traum für mich. Da war dieses Lied für meine Mutter und die Vorstellung, wie sie im Kreise der Familie zu Hause auf der Couch sitzt und mich live im Fernsehen ihr persönliches Lied spielen sieht. Und nicht nur das: Am Ende konnte sie sogar live mitverfolgen, wie ihr Lied sich gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen und den Song Contest tatsächlich auch gewinnen konnte.
Gleichzeitig hatte dieser Wettbewerb für Unheilig etwas Einzigartiges, denn zum ersten Mal konnten wir uns – als wir in dieser Halle im sogenannten Green Room saßen und darauf warten mussten, bis die Votings der einzelnen Bundesländer durchgegeben wurden – in Ruhe und alle gemeinsam über den Erfolg der zurückliegenden Monate freuen.
Ich hatte das Gefühl, als liefe ein Film vor meinen Augen ab, in dem Unheilig die Hauptrolle spielte und ich währenddessen zum ersten Mal richtig begreifen und vor allem auch genießen konnte,
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