Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Hobby nebenbei bleiben. Nicht weniger, aber vor allem auch nicht mehr.
Vielleicht wäre Zahntechnik sogar der optimale Job für mich in dieser Situation gewesen. Ein Beruf, in dem man tatsächlich nicht mit Menschen umgehen musste. Ein Job, in dem kaum gesprochen wurde. Jeder saß an seinem Platz und machte sein eigenes Ding, und da ich handwerklich immer sehr geschickt war und jahrelang viel gezeichnet hatte, existierte wohl auch eine gewisse Begabung für diesen Beruf. Der stellvertretende Rektor meiner Schule hatte vielleicht doch recht behalten … Zumindest hatte er gewonnen.
Seine Worte hatte ich im Grunde nie verdauen können. Bis heute nicht. In all den Momenten, in denen ich immer mal wieder an mir zweifle, höre ich heute diese Stimme. Im Grunde ist sie immer mein Dämon geblieben, der immer noch in mir ist und ständig versucht, alles kaputt zu reden. Er ist immer da, wenn ich Entscheidungen treffen muss oder ein Risiko eingehen will. Ich weiß bis heute nicht, ob er gut oder böse ist. Ich weiß nur, dass er immer in mir ist.
Wie auch immer – ich war dem »Rat« meines Rektors gefolgt und alle waren zufrieden. Bis auf einen …
Zahntechniklabore ähnelten im Grunde einem kleinen Kalkbergwerk im Zimmerformat. Überall schwebte ein feiner Staub herum und der Geruch erinnerte sehr an einen unliebsamen Zahnarztbesuch. Aus sämtlichen Räumen hörte man das Rotieren der Handbohrer, untermalt von einem leichten Surren der Absauganlagen. In meiner Ausbildung sollte ich wohl alle Bereiche eines Labores durchlaufen, sagte mir mein Meister, damit ich hinterher alles beherrsche und überall einsetzbar sein könne. Aber es galt natürlich die alte, hässliche Regel: »Lehrjahre sind keine Herrenjahre!« Ich musste fegen, putzen, waschen und aufräumen – und ich habe es gehasst. Nichts in diesem Labor hatte irgendetwas mit dem zu tun, was ich gerne mochte.
Ich stellte mir in dieser Zeit ständig nur die eine Frage: Willst du das tatsächlich die kommenden 40 Jahre machen? Und die Antwort war eindeutig: Nein! Alles, was ich in diesem neuen Beruf lernte beziehungsweise nicht lernte, war in meinen Augen furchtbar und absolut überflüssig. Ich saß abends heulend zu Hause und war einfach nur unglücklich. Meine sogenannten Arbeitskollegen waren deutlich älter und somit viel zu weit von meiner Teenager-Welt entfernt. Während der Arbeit wurde geschwiegen und in den Pausen über Dinge gesprochen, die ich nicht kannte und die mich auch nicht interessierten.
Zu Hause steckte ich meinen ganzen Frust in die Musik und begann wieder damit, Lieder zu schreiben. So konnte ich – wie zuvor schon – all das, was mich beschäftigte, verarbeiten und mir in meinen Liedern eine eigene kleine Traumwelt schaffen, aus der ich jedoch jeden Morgen jäh wieder hinausgerissen wurde, wenn der Wecker mich zu meinem Arbeitsdienst aufforderte. Das einzig Positive, das ich dieser Zeit abgewinnen kann, war die Tatsache, dass ich bald schon wieder meinen alten Traum vor Augen hatte, die Musik zu meinem Beruf zu machen.
Meine Gedanken gingen plötzlich wieder in Richtung Bundeswehr. Vier Jahre Bund, Geld verdienen, Abfindung kassieren, ein Studio einrichten, professionell Musik machen – so einfach war meine Zukunftsplanung im Grunde.
Aber es gab natürlich Hindernisse. Während ich mit meiner Mutter stets über meinen Frust sprechen konnte, wusste mein Vater noch nichts von meinen neuen, alten Plänen. Und er war es schließlich, der mir meinen Ausbildungsplatz besorgt hatte … Wie also würde er die Enttäuschung, die ich ihm bereiten würde, aufnehmen? Das war die große Frage, die mich in jenen Tagen zermürbte.
Aus der Vergangenheit wusste ich, dass nur ich selbst mir wirklich helfen konnte. Also musste ich für mich persönlich eine Entscheidung treffen. Für mich selbst – nicht für meinen Vater, nicht für meine Mutter und auch nicht für meine Lehrer.
Und so entschied ich mich auf eigene Faust, diese Lehrstelle wieder abzubrechen. Dabei arbeitete ich mit offenem Visier. Einfach nicht mehr hingehen, kam nicht infrage. Ich bat um ein Gespräch mit der Geschäftsleitung, erläuterte die Gründe für meinen Entschluss, entschuldigte mich für meinen Vater, der mich vermittelt hatte, und ging meines Weges. Und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, der behütenden Hand meiner Eltern entschlüpft zu sein und auf eigenen Füßen zu stehen – und das hatte sich richtig gut angefühlt …
Für meine Eltern brach eine Welt
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