Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
musste.
Daraufhin erzählte ich von dem unglaublichen Angebot, welches mir Markus und Ollie gemacht hatten, und dass ich nicht wüsste, wie ich damit umgehen sollte, zumal sie auch nicht die gesamte Summe zusammenbringen könnten. Als ich fertig war, war es ganz ruhig in dem Raum und ich blickte in sorgenvolle Gesichter.
Doch dann, plötzlich und völlig unvermittelt, stand mein Bruder von seinem Stuhl auf. Er wandte sich mir zu und sagte: »Kein Problem. Ich habe einiges gespart und das werde ich dir geben. Und wenn du irgendwann einmal kannst, zahlst du es mir einfach zurück.«
Ich muss meinen Bruder in diesem Moment völlig entgeistert angesehen haben, denn er lächelte mich nur an und sagte: »Guck nicht so, du bist mein Bruder und ich glaube an dich!« Dann griff er in seine Jacke, zog einen Scheck hervor, schrieb eine Summe drauf und gab ihn mir.
Mir war bekannt, dass mein Bruder beruflich ganz erfolgreich war, ich wusste aber auch, dass er diesen Betrag nicht so ohne Weiteres einfach hergeben konnte. Aus diesem Grund versuchte ich ihm vorsichtig zu erklären, dass ich sein Geld nicht annehmen könnte. Er indes gab mir einen kleinen Stoß und lächelte erneut: »Doch, das kannst du, und ich wäre enttäuscht, wenn du es nicht tun würdest.« Ich blickte gerührt und verlegen in den Kreis meiner Familie und dann geschah etwas, was ich nie vergessen werde: Sie fingen alle an zu klatschen!
»Schön, eine Familie zu haben«, sagte ich, nach den richtigen Worten ringend, »und noch schöner, einen großen Bruder zu haben.« Wir umarmten uns und ich bedankte mich noch einmal leise. Und dann sagte er: »Danke mir nicht – mach’ was draus.«
Und in diesem Moment war mir bewusst geworden, dass ich den Ausstieg und meinen Neuanfang tatsächlich packen könnte. Meine Freude über diese erstaunliche Unterstützung war sehr groß – die Verantwortung allen Personen gegenüber allerdings noch viel größer. Mir war klar, dass dies die einzige Möglichkeit war, meine musikalische Freiheit wieder zurückzuerlangen, auch wenn der Druck danach umso größer für mich wäre.
Den Moment, in dem mein Bruder einfach aufstand und mir seine Unterstützung zusagte, werde ich nie vergessen. Damals wusste ich nicht, wie ich es ihm danken sollte.
Heute weiß ich, dass ich ihm später das Lied »Bruder« gewidmet habe, in dem dieser eine Moment an diesem ganz besonderen Tag beschrieben wird. Er stand damals auf und wusste, was zählte. Mein Dank hierfür wird nie verblassen!
Die Holländer
In den folgenden Tagen kam die Vertragsauflösung mit dem Produzenten immer weiter in Bewegung und wir schmissen im Grunde alles in einen Topf, um den geforderten Betrag zusammenzubringen. Der Produzent pochte zwar noch immer darauf, fünf Titel für das neue Album zu produzieren, aber das belastete mich nun gar nicht mehr. Meine Augen waren endlich wieder nach vorne gerichtet und was ich dort sah, war längst nicht mehr so düster wie in den Wochen und Monaten davor.
Wir machten uns auch schon wieder Gedanken, in welcher Gestalt Unheilig künftig live auftreten sollte, und kamen zu dem Schluss, eine Band mit einbeziehen zu wollen. Dabei war es natürlich spannend, herauszufinden, wie meine Musik wohl klingen würde, wenn sie aus der Hand einer kompletten Band käme. Wir hatten das Angebot, auf dem Wave-Gothic-Treffen 2001 zu spielen, und wollten diesen Auftritt dazu nutzen, Unheilig auch live auf den richtigen Weg zu bringen.
Der Tourmanager gehörte inzwischen gottlob der Vergangenheit an und wir nahmen Kontakt zu dem Gitarristen auf, der schon die ersten beiden Auftritte mit mir bestritten hatte. Ich erinnerte mich an den Videodreh in den Katakomben und wir fragten seine Band, ob sie nicht Lust auf ein paar Gigs hätte. Markus brachte noch einen Keyboarder ins Spiel, und so waren wir – zumindest auf dem Papier – eine richtige Band mit Schlagzeug, Gitarre, Bass und Keyboarder – und einem kahlköpfigen Sänger.
Die Band verfügte bereits über einen Tourbus und einen Kollegen, der alles für sie organisierte – das Liveprojekt nahm also richtige Formen an. Wir machten eine Vereinbarung, dass alle Einnahmen unter allen Beteiligten aufgeteilt würden, was jedoch eher virtueller Natur war, da es zu diesem Zeitpunkt gar keine gab. Zunächst einmal war allen bewusst, dass sie so lange unentgeltlich arbeiten mussten, bis Unheilig wirklich Erfolg haben würde.
Ich war von der Idee begeistert und schon bald stand die erste
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