Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Tage waren fast weg, ich hatte kein Brennen mehr in Lunge und Bronchien und schien alles ganz gut überstanden zu haben.
Meine Stimme indes fühlte sich noch immer wund und etwas roh an und die Kontrolle der Töne beim Singen fiel mir extrem schwer. Ich hatte nicht mehr die gewohnte Kraft in der Stimme, sie flatterte im Grunde in alle Richtungen – nur nicht dahin, wo ich sie gerne haben wollte.
Zurück in Deutschland, besuchte ich sofort einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Ich berichtete ihm von meiner Vorgeschichte, während er mir nach einer ersten Untersuchung unverblümt erklärte, dass er meine Stimmbänder kaum noch erkennen könne, weil mein Hals total vereitert sei. Unter dieser Eiterschicht aber würde er Schwellungen sehen, die leicht zu Knoten auf den Stimmbändern werden könnten, was am Ende dazu führen würde, dass meine Stimme nie mehr so belastbar sei, wie ich es einmal gewohnt war.
An weitere Auftritt wäre zunächst einmal gar nicht zu denken, beschied der Arzt, und ich sollte mir überdies eher Gedanken darüber machen, was ich beruflich machen würde, wenn sich herausstellen sollte, dass ich Knoten auf den Stimmbändern hätte.
Seine Predigt war noch nicht zu Ende. Der Mediziner erklärte, dass man eventuell an einen operativen Eingriff denken müsse, der allerdings auch keine hundertprozentige Gewissheit darüber gäbe, ob es wieder so werden würde, wie vor dieser Erkrankung. Das mit der Operation wiederum könne er jedoch erst in drei Wochen abschätzen. Und so lange dürfte ich kein Wort mehr reden. Absolute Schonung der Stimmbänder, Schweigen, Ruhe.
Man hatte mir also geradezu das Wort verboten. Zu Hause angekommen, musste ich erst einmal weinen. Der Gedanke, dass meine Karriere auf diese Art und Weise enden könnte, machte mich untröstlich. Als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte, schrieb ich meinem engsten Umfeld eine Mail, in der ich alles erklärte: Wie es sich darstellte, wie es werden könnte und worauf wir alle hoffen sollten …
Zunächst aber hörte ich am 16. April 2008 mit dem Rauchen auf. Ich hatte es vorher schon einige Male versucht, es aber nie wirklich geschafft. Und so wurden die folgenden Tage zur Hölle. Ich durfte nicht mehr sprechen – und – nicht mehr rauchen und beides hatte ich bis dahin geradezu passioniert betrieben. Man sagte zwar, dass der körperliche Entzug beim Rauchen nach 24 Stunden vorüber sei – dabei spricht aber niemand über die inneren Dämonen, die einem immer wieder zu einem kleinen Sündenfall überreden wollen. Und dann sollte man auch noch eines bedenken: Ich saß zu Hause und mir fiel die Decke auf den Kopf – kurzum: Mir ging es richtig beschissen!
Von Markus und Ollie bekam ich derweil regelmäßig die unzähligen Genesungswünsche meiner Fans weitergeleitet, was mir in diesen dunklen Tagen eine unglaubliche Unterstützung war und mir das Gefühl schenkte, mit meinem Schicksal nicht alleine zu sein. Und das wiederum gab mir meinen fast verloren gegangenen Mut wieder zurück. Ich kämpfte gegen die Zeit – und den Drang, wieder zu rauchen.
In der Zwischenzeit waren zwei Wochen vergangen und das Druckgefühl auf meiner Lunge hatte endlich ein wenig nachgelassen. Ich surfte durch das Internet und schaute mir Bilder und Videos von meinen Auftritten im Netz an. Wenn ich die Filmchen auf Youtube sah, sagte ich mir immer wieder, dass ich da wieder hin- und noch viele dieser Momente erleben wollte.
Als Ziel hatte ich mir das Wave-Gothic-Treffen vom 9. bis 12. Mai 2008 gesetzt und während ich mich in jenen Tagen durch das Internet bewegte, fiel mir plötzlich auf, dass kein einziges Foto von mir existierte, auf dem man einen Eindruck davon hätte bekommen können, wie ich wirklich war. Die Kontaktlinsen, die ich mir einst als Schutzwall besorgt hatte, taten ihren Dienst. Und zwar besser, als es mir gefiel …
Die Linsen verfremdeten nicht nur meine Augen, sondern das ganze Gesicht. Und ich weiß noch wie heute, dass ich nach fast zweieinhalb Wochen, am Abend vor dem entscheidenden Arztbesuch, zu mir sagte: »Wenn ich noch eine Chance bekomme, werde ich fortan die Kontaktlinsen weglassen – egal, wie schwer mir das fallen würde.« Wenn ich noch einmal die Möglichkeit bekommen würde, wieder als Musiker auftreten zu können, sollte das WGT mein letzter Auftritt mit Linsen sein.
Und am darauffolgenden Morgen ging ich endlich wieder zu dem Arzt.
Ich hatte vor diesem Besuch natürlich schon einige Male heimlich etwas vor
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