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Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Schriftenstand auffüllte, nicht demonstrativ geräuschvoll hinausgegangen und Perse nicht ausgerechnet in diesem Augenblick mit der nächsten Blumenvase erschienen wäre.
    «Danke, Viola», sagte Mr. Chisholm förmlich. «Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das Ihrem Vater ausrichten wollten.» Und damit verschwand er in der Sakristei.
    Perse sagte spöttisch: «Na, der hat’s aber eilig, von dir wegzukommen.»
     
    Ohne jede Vorwarnung geschah dann plötzlich eines Morgens etwas ganz Schreckliches. Ich war früh aufgestanden und kam herunter. Draußen war es winterlich feucht und grau. Ich hatte die Post in den Kasten fallen hören und nahm sie heraus. Wieder war ein Brief aus Guernsey für Mutter dabei, ferner ein Packen Briefe für Vater und schließlich ein auffallender dünner, quadratischer Briefumschlag ohne Absender, der an mich adressiert war. Er kam mir verdächtig vor.
    Ich riß den Umschlag auf, aber bevor ich den Brief noch lesen konnte, kam Trubshaw ins Zimmer gestolpert und wollte sein Frühstück. «Ein Junge in meiner Klasse ist schwanger», verkündete er.
    «Red keinen Blödsinn, Trubshaw. Nur Mädchen werden schwanger, und auch nur, wenn sie verheiratet sind.»
    Er sah mich verblüfft an.
    «Hier ist dein Porridge», sagte ich.
    «Arthur Mason hat gesagt, sein Urgroßvater hat mal Porridge gegessen und ist dann gestorben.»
    «Na, vorher konnte er ja nicht sterben, nicht wahr?» sagte ich und nahm ihm die Pointe. Er sah gekränkt aus.
    Ich füllte ihm den Teller. Vielleicht war es gar nicht so ein Brief.
    Ich wollte ihn so schnell wie möglich lesen. Ich reichte Trubshaw das Glas mit Honig, gab ihm einen Löffel und ging hinaus.
    Ich wußte zwar, daß nachher der ganze Eßtisch kleben würde, aber ich rannte nach oben und schloß mich in meinem Zimmer ein. Ich zog den Brief aus der Schürzentasche. Meine Hände zitterten so stark, daß ich ihn kaum aus dem Umschlag bekam. Ich flog an allen Gliedern vor Widerwillen.
    Auf billiges Konzeptpapier waren einzelne ausgeschnittetene Buchstaben aufgeklebt. Ich starrte auf das Blatt, aber mein Gehirn weigerte sich, die Worte aufzunehmen.
    Ich saß auf dem Bett und starrte dumpf vor mich hin. Bis zu diesem Augenblick war mein Leben sorglos und behütet gewesen, aber nun lauerte das Böse auf mich.
    Die Worte verschwammen vor meinen Augen: WENN DU IHN NICHT IN RUHE LÄSST, BRINGE ICH DICH UM.
    Der Brief ängstigte mich, aber ich war auch zornig. Ich sah auf den Poststempel. Derby. Das bedeutete überhaupt nichts. Wir alle waren ab und zu in Derby.
    Wer? Diese Frage nagte an mir. Wer bloß? Perse hatte mir von den anonymen Briefen in Berkshire erzählt. Aber es war doch undenkbar...
    Nein, es konnte nicht Perse gewesen sein. Aber als ich mit der Vormittagsarbeit fertig war, das Geschirr gespült, eingekauft und das Mittagessen vorbereitet hatte, ging ich zu ihr hinauf.
    Sie war dabei, gymnastische Übungen zu machen. «Hallo, Vi», sagte sie. «Ich hoffe, davon kriege ich einen richtigen Busen.»
    Ich setzte mich aufs Bett und fragte ohne Umschweife. «Na, hast du kürzlich ein paar saftige anonyme Briefe geschrieben?»
    Sie turnte ungerührt weiter. Dann schien sie plötzlich zu verstehen. «Vi! Sag bloß nicht, du hast einen gekriegt! Den mußt du mir unbedingt zeigen!»
    «Kommt gar nicht in Frage», sagte ich freundlich.
    «Du Ekel. Ekel-Ekel-Ekel!» rief sie. Und dabei turnte sie wie wild weiter.
    Ich stand auf und ging auf die Tür zu.
    «Vi, bitte, zeig ihn mir doch!» bettelte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. Sie streckte mir die Zunge heraus.
    Ich schlug die Tür hinter mir zu. Nein, Perse konnte es nicht gewesen sein. So konnte sie sich nicht verstellen. Im Grunde war ich froh, denn der Gedanke, daß Perse zu so etwas imstande sein sollte, wäre doch zu erschreckend gewesen. Aber wer war es dann gewesen? Der Gedanke, daß jemand mich so sehr haßte, daß er bereit war, mich umzubringen, war noch erschreckender.
    Es schien doch ein unheilvoller Stern über meiner Liebe zu Mr. Chisholm zu stehen, wenn so etwas Böses dabei herauskam. Die Last des Geheimnisses drückte mich nieder. Aber ich brachte es nicht fertig, mich Vater anzuvertrauen.
    Doch gerade jetzt, in diesem verzweifelten Augenblick, geschah etwas, das ich selbst niemals für möglich gehalten hätte.
    Es klingelte an der Haustür. Ich wagte nicht zu öffnen und schob nur die Gardine ein wenig beiseite. Draußen stand Clifton Chisholm.
    Ich öffnete und sagte: «Tag, Mr. Chisholm.

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