Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
kann meine liebe Mama ihr ja ein selbst gemaltes Bild oder ein anderes Kunstwerk für mindestens fünf Euro abkaufen. Das muss dann mit »Nala« signiert sein. In diesem Fall kann Sophie sich »Nala« nämlich in ihrem Personalausweis als Künstlernamen eintragen lassen.
DIE GEBURT
IN EINER BERLINER KACHELFABRIK WIRD EIN MÄDCHEN GEBOREN. ANSCHLIESSEND GIBT ES LAUWARME BULETTEN
Krachbumm machte die Tür des Barkas. Und Abfahrt! Drin saßen der Fahrer, die Hebamme und ich: eine Frau in Nöten. Meine Wehen kamen bereits im Achtminutenrhythmus. Unsere kleine Schicksalsgemeinschaft düste durch Ostberlin, auf der Suche nach einem Platz zum Kinderkriegen. Uns leitete die Hoffnung, diesen Platz zu finden, bevor bei mir die Presswehen einsetzten. Im günstigsten Fall sollte dies bitte, bitte ein Krankenhausbett sein.
Das hier ist die Geschichte von Hannas Geburt. Nicht umsonst habe ich meine Tochter nicht mit Einzelheiten behelligt, während sie schwanger war. Denn um ehrlich zu sein: Ich habe bis heute von keiner langwierigeren, erschöpfenderen und erniedrigenderen Geburt gehört als dieser. Also meiner. Also Hannas.
Wir schreiben das Jahr 1988. Die Menschen östlich der Berliner Sektorengrenze sind scheinbar nicht ausreichend unterdrückt. Anders ist nicht zu erklären, dass wir immer weiter und immer mehr Kinder kriegen. So viele kleine Staatsbürger sind unterwegs, dass in den Geburtskliniken der Hauptstadt der größten DDR der Welt die Kreißsaalbetten knapp werden. In der Charité, wo Hanna und ich eigentlich zum ersten Kennenlernen verabredet sind, ist die Station zehn Stunden nach Einsetzen meiner Wehen restlos überfüllt. Es stöhnt und seufzt aus allen Ecken, die Hebammen fegen durch die Räume, irgendwann ist der Laden einfach überfüllt. Zwischen zwei Wehen werde ich aufgefordert, meine Liege zu räumen und mich wieder anzuziehen. »Sie werden jetzt in ein anderes Krankenhaus gefahren. Hier sind die Papiere, viel Erfolg noch. Und tschüss!« Ich krümme mich ein wenig unter der nächsten anrollenden Wehe. Muss ich wirklich hier raus? Aber die Krankenhausverwaltung hat entschieden: Planübererfüllung im Bereich Geburten. Ich muss gehen und woanders niederkommen.
So war es. Und schon allein die Vorstellung, man legte heute einer Frau mitten in den Wehen nahe, sich eine andere Klinik zu suchen, lässt in meiner Phantasie die Schlagzeile aufleuchten: » WERDENDE MUTTER AUS KLINIK GEWORFEN! WAS KOMMT ALS NÄCHSTES, HERR GESUNDHEITSMINISTER ?!«
Wir machten uns also gezwungenermaßen auf den Weg durch Ostberlin. Hinter unserem Barkas, einer Art VW- Bus realsozialistischen Zuschnitts, knatterte in seinem Trabant der besorgte Vater her. In Köpenick, am äußersten südöstlichen Stadtrand, sollte noch ein Kreißsaal frei sein, hatte die Zentrale durchgegeben. Und weil das so weit weg war, ging unser Krankenwagenfahrer auf Nummer sicher und fuhr schön in Ruhe noch mal tanken. Benzin für den Barkas gab’s aber nur in der Rettungsstelle Prenzlauer Berg.
So kam es, dass unser »Storchenwagen« genannter Krankentransport sich durch den Feierabendverkehr drängte, rein in den winterlichen Prenzlauer Berg, durch eine dunkle Toreinfahrt, auf den Hof der Rettungsstelle. Benzin gluckerte, draußen war es kalt, es roch nach Achtzigerjahre-Berlin: Kachelöfen, Zweitaktgemisch, Schnee. Draußen auf der Marienburger Straße wartete der Vater bei laufendem Motor darauf, dass er uns Richtung Stadtrand folgen konnte.
Die Kollegin Hebamme war genervt. Zwischen den Wehen, die bei mir inzwischen alle sieben Minuten kamen, hielt sie mir einen regimekritischen Vortrag. Eine Sauerei sei das, schimpfte sie, dass es in dieser Stadt nicht genügend Kreißsäle gebe. »Die Leute sollen jede Menge Kinder kriegen. Aber wo – das ist denen da oben doch egal«, maulte sie. Ich hatte weiß Gott gerade andere Sorgen, aber die Lady hatte recht. Und sie hatte außerdem eine kleine Hand, die ich schraubstockartig drücken durfte, wenn die nächste Wehe kam.
Irgendwann hatten wir es nach Köpenick geschafft. Der Vater sprang aus dem Auto und rannte hinter uns her durch die Krankenhausflure. Zeitgleich erreichten wir die Ziellinie: den Kreißsaal. Die Milchglastür öffnete sich, eine Krankenschwester erwartete uns. »Aber der Vati – der bleibt mal schön draußen. Bitte verabschieden Sie sich voneinander!«
Okay, spätestens jetzt wusste ich, warum in diesem Krankenhaus noch Betten frei waren. Mag sein, dass die größte DDR der Welt
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