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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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hatten sie sich bei der Namenssuche kaum Gedanken gemacht – sie benannten uns, wie es gerade Mode war. Dass ihre Auswahl eine gewisse Einförmigkeit, ja Ideenlosigkeit erkennen ließ, mussten erst wir, ihre Kinder, ihnen sagen. An zusätzliche Namen hatten sie schon gar keinen Gedanken verschwendet. Meine Eltern hatten zu tun. Sie mussten tagsüber den Sozialismus aufbauen und abends für ihre Kinderschar pünktlich einen Stullenberg auf den Tisch stellen.
    Als ich vierzehn Jahre alt war, nahte der Frühling meiner Jugendweihe. Angelegentlich dieses Rituals, einer Art weltlichen Konfirmation realsozialistischen Zuschnitts, stellte sich heraus, was für bezaubernde Zweitnamen viele Mädchen und Jungen aus meiner Schulklasse eigentlich hatten. Damit die Jugendweiheurkunden auch ja korrekt beschriftet würden, sollte nämlich jeder von uns seinen vollständigen Namen in eine Liste eintragen. Neidvoll und schockiert stellte ich fest, dass die etwas bräsige Kerstin Schmidt in Wirklichkeit Kerstin Magdalena Schmidt hieß. Sven Urbscheit trug den stolzen Namen Sven Georg. Und wie gemein, dass Christine, die Klassenschönste, es sich all die Jahre hatte leisten können, ihren bezaubernden Zweitnamen Hermine zu verschweigen. Verdammt! Wieso hatte ich eigentlich nichts anzubieten? Eine schlichte Luise oder eine meiner Exzentrik angemessene Albertine?
    Aber he, was nicht war, konnte doch noch werden! Könnte nicht auch ich all die Jahre meinen ganz persönlichen Wort-Schatz verborgen haben? War ich nicht mindestens fast so hübsch und geheimnisvoll wie Christine? Was, wenn ich jetzt »Anja Pauline Maier« in die Urkundenliste eintrüge? Kurz vor der Niederschrift überlegte ich es mir doch noch anders. So ein schicker Pauline-Name wäre längst aufgefallen, den hätte ich doch längst erwähnt – es musste etwas sein, womit ich mich nicht brüsten könnte. Kurzerhand schrieb ich »Anja-Carla Maier« auf das Blatt.
    Und was soll ich sagen? Mit exakt diesem Namen wurde ich an meinem Jugendweihetag auf die Bühne der Berliner Kongresshalle gerufen. Und genau so stand es in Federschrift auf meiner Urkunde aus Büttenpapier. Anja-Carla Maier. Mit C und Bindestrich. Meine Eltern kriegten sich fast nicht mehr ein vor Lachen. Es war nicht das erste Mal, dass ich an meiner pubertären Identität herumzuschrauben versucht hatte. Immer mal wieder hatte ich Fremden erzählt, ich sei adoptiert. Aber dass ich mir meine Macke diesmal hatte schriftlich geben lassen, fand Eingang in die Schnurrenecke meiner an Geschichten nicht armen Familie. Egal, ich hatte bekommen, was ich wollte: einen zweiten Namen. Auch wenn ich ihn danach nie wieder benutzen sollte.
    Mir, dem bedauernswerten Mädchen mit dem zweisilbigen russischen Anagrammnamen, war klar: Wenn ich selbst mal Kinder haben sollte, würden sie sorgsam ausgewählte Namen tragen. Hanna stand, wie gesagt, bereits fest, als ich mit sechzehn Jahren Rainer Werner Fassbinders »Lili Marleen« gesehen hatte. Als ich dann mit Hanna schwanger war, gaben wir noch den schönen Frauennamen Emilie dazu. Tante Milli war eine alte Tante des Kindsvaters, die großartige Marillenknödel zubereiten konnte. Ich meine, Marillenknödel – das ist doch eine nach Zimt duftende Namensgeschichte, oder etwa nicht?
    Als fünf Jahre später Hannas Schwester unterwegs war, kannte meine Namensbegeisterung keine Grenzen mehr. Vier Namen bekam das arme Kind – für diese Freiheit hatte ich schließlich ’89 hinter der Gardine gestanden. Kira war die Abkürzung des klassischen Frauennamens Katharina. Über den waren Stefan und ich uns einig. Weil aber während der Schwangerschaft derart viele Namensdiskussionen geführt, dermaßen viele Vornamen auf den Tisch gepackt und anschließend widerrufen worden waren, weil also ein schier unübersichtliches Angebot an Namen vorlag, wählten er und ich noch jeweils einen für das Kind aus: Therese und Frieda. Schließlich, fünf Minuten vor der Geburt, fiel uns noch ein, ihr wenigstens den Namen einer ihrer Omas mitzugeben. Deshalb trägt sie heute den schönen Namen Erika, der sicher auch bald wieder in Mode kommt.
    Kira hat uns dieses Neunzigerjahre-Namensgewitter oft vorgeworfen. Als sie zur Schule kommen sollte, wünschte sie sich nichts so sehr wie einen stinknormalen Namen. »Warum habt ihr mich nicht Elisa genannt wie alle meine Freundinnen?«, jammerte sie. Wir tätschelten ihr das blonde Haar, aber tatsächlich waren wir gottfroh, unser Kind weder Lisa noch Elisa,

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