Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
müssen, würde auch ich gern hin und wieder mal das Jugendamt anrufen. Hanna hat Glück, dass ihr »System« nicht nur aus einem ansprechenden Pfeffer-und-Salz-Stoff gefertigt ist, sondern auch kopftechnisch jeden Komfort bietet.
Gott sei Dank hatte Hannas und Oscars grau geblümte Karre alsbald irgendeinen Schaden. Ihn zu reparieren wäre bei dem alten Ding teuer geworden. Und so signalisierte mir das junge Paar schließlich doch uneingeschränkte Kaufbereitschaft. In den folgenden Tagen wechselten wir Mails. In Hannas Posts ging es um technische Daten wie Hydraulik, die siebenfach verstellbare Rückenlehne, das feststellbare Schwenkrad und die gnadenlos gute Federung. In meinen ging es eigentlich immer nur um eines: die Schönheit. Während also Hanna schrieb: »Guck mal, der hier wiegt nur elf Kilo und hat gepolsterte Fünf-Punkt-Gurte«, schrieb ich als übergriffige, zahlungskräftige große Mutter: »Aber nicht mit diesen bekloppten Guckfenstern an der Seite! Das ist doch nicht euer Ernst!«
Am Ende wurde es ein hypermoderner Buggy mit gebürstetem Metallicgestänge. In Blau. Na gut. Ich überwies das Geld und machte die äußerst witzige Bemerkung, man möge mir, der Spenderin, zu Ehren eine Plakette an das Gefährt meiner Enkelin nageln. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Oscar und Hanna das auch nur ansatzweise lustig fanden. Trotzdem, wenn ich Sophie sah, nötigte ich ihre Eltern, mir ein wenig dankbare Freude vorzugaukeln, indem ich das blaue Gefährt ein bisschen anschubste und fachfraulich »leichtgängig« murmelte. Pflichtschuldig brachten die jungen Eltern so etwas wie Zufriedenheit mit dem erworbenen Produkt zum Ausdruck. Aber Freude? Nun ja.
Dass etwas nicht stimmen konnte, merkte ich spätestens, als ich mit Hanna spazieren war und sah, wie ruppig sie den leicht nach links abdriftenden Wagen herumriss. Ich schwieg fein still. Schlecht gelaunte Produktkritiken bitte an irgendjemanden, aber nicht an mich! Der Kinderwagenerwerb war insgesamt nicht das Jubelereignis geworden, als den ich als konsumfreudige Ostlerin mir das ausgemalt hatte.
Wenig später wurde der neue, blaue und sauteure Butz von gewissenlosen Hehlern aus Hannas Hausflur geklaut. Was danach kommen sollte, wollte ich eigentlich schon gar nicht mehr wissen. Ich hoffte einfach, dass Hanna und Oscar die richtige Hausratversicherung hatten – und die hatten sie. Sie nahmen das Geld und kauften davon einen anderen hypermodernen Untersatz für Sophie. In Rot. War mir egal. Dies war nicht mehr mein Wagen. Er war gekauft von entfremdetem Geld, Versicherungsgeld. Er hatte Seitenfenster. Er wog kolossale sechzehn Kilogramm. Was soll man denn dazu noch sagen?
Dass der Rote auch noch technische Raffinessen aufwies, bemerkten wir anlässlich meines und Stefans erstem Wochenende allein mit Sophie. Wir marschierten mit dem Kind durch den kalten Wintertag, Sophie, beschützt vom Verdeck, schaute mit festem Blick den Weg hinunter. Aber dann wurde sie müde, ihre Augen fielen zu und der Kopf nach vorn. Ganz klar, dieses Kind wollte hingelegt werden. Aber wie? Stefan und ich senkten unsere verzweifelten Blicke in die ausgefeilte Kinderwagentechnik. Überall gebürstetes Aluminium, die Scharniere kunststoffverkleidet. Wo bitte war hier der Knopf zum Hinlegen eines Kindes?
Wie gerufen kam uns eine Mutter entgegen, sie führte ebenfalls einen Hightechwagen mit Kind bei sich. Ich sagte: »Entschuldigen Sie bitte, wissen Sie, wie man diesen Kinderwagen runterklappt?« Sie schaute uns prüfend an. Zwei Mittvierziger in einem Park, im Wagen ein Kind. Waren wir womöglich Entführer? Hatte es bei uns nicht geklappt mit der Fortpflanzung, und jetzt hatten wir uns dieses müde blauäugige Mädchen geschnappt, um mit ihm an einem entlegenen Fleck der Welt glücklich zu werden? Hastig stieß ich hervor: »Wir sind nur die Großeltern, wissen Sie.« Aha, machte es bei der Mutti. Lässig fasste sie mit einer Hand irgendwo in die Eingeweide von Mura, schon war Sophie sanft gebettet. Und tschüss! »Sag mal«, fragte Stefan, »warum sind wir denn ›nur‹ die Großeltern?« »Ach«, antwortete ich, »als dermaßen späte Mutter möchte ich nun wirklich nicht dastehen.« Sophie gab einen zustimmenden Schnarcher von sich.
NEUE WELTEN
SOPHIE WIRD SAMT EQUIPMENT IN EINEM LOKAL VERKÖSTIGT UND IST COOLER ALS MAXI UND IHR REISEKLO
Weil Oscar gerade ein Praktikum macht, ist er derzeit so etwas wie ein Five-to-nine-Vater. Ein Papa also, der während der
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