Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
durchs Restaurant. Erwachsene, die ihrer ansichtig werden, lächeln freundlich in ihre blauen Augen hinein und wenden sich anschließend wieder ihrem Tischgespräch zu. Erst ganz zum Schluss, als ich bezahlt habe und das komplette Kinderequipment inklusive Kind wieder zusammengesucht und im Kinderwagen verstaut werden muss, geht es ein bisschen holterdiepolter. Aber der Kellner hat gut aufgepasst während seiner Ausbildung; er sammelt, stoisch lächelnd, Sophies zerrissene Papierservietten vom Boden auf und wischt die angesabberten Brotkrümel vom Tisch. Er bedankt sich artig fürs Trinkgeld und sagt zum Abschied tatsächlich noch so was wie »Gern wieder«.
Gut gelogen, denke ich. Aber sei’s drum. Tatsächlich haben wir unseren Restaurantbesuch mit Kind anständig über die Bühne gebracht. Kein Glas ist umgekippt oder zu Bruch gegangen. Niemand von uns hat andere Gäste genötigt, unseren Aufenthalt wortreich zu würdigen. Kein Kleinkind ist in der Küche aufgetaucht, angefeuert von einem Erziehungsberechtigten, sich doch hier mal alles ganz genau anzuschauen. Wir haben gut Umsatz gemacht, sogar für unsere einjährige Begleitung haben wir Kloß mit Soß geordert. Wir haben zum Wickeln die entsprechenden Örtlichkeiten aufgesucht. Wir haben Trinkgeld gegeben und treten nun den geordneten Rückzug an, damit das Kind zu seiner gewohnten Schlafenszeit ins Bett kommt. So weit alles prima. Aber hatten wir auch Spaß? Na ja.
Schimpft mich eine spießige Frau, eine, die nicht kapieren will, dass sich in diesem Lande einiges zugunsten des Nachwuchses und seiner Erziehungsberechtigten gedreht hat – aber nach wie vor empfinde ich Kinder abends im Restaurant als unpassend. Und nicht nur das. Ich bin sogar der Überzeugung, dass Kinder nach zwanzig Uhr besser in ihrem Bett aufgehoben wären, statt gemeinsam mit ihren Eltern und Großeltern die örtlichen gastronomischen Angebote auszuchecken. Ich meine, so wie wir Erwachsene am nächsten Morgen an der Werkbank stehen müssen, kann das doch nur funktionieren, wenn wir zuvor unseren ausgeschlafenen Nachwuchs in Kita oder Schule untergebracht haben. Ich brauche meine sieben Stunden Schlaf. Und ich weiß, dass meine Töchter einst mindestens genauso viel, wenn nicht gar zwei Stündchen mehr Bettruhe brauchten, um dem Kita-Morgenkreis in einigermaßen aufmerksamem Zustand folgen zu können.
Was treibt Eltern nur, in den späten Abendstunden in Begleitung ihrer Kinder Wirtshäuser aufzusuchen, um dort Mahlzeiten einzunehmen, für die Tiere gestorben sind – was sie jedoch kaum zu würdigen in der Lage sind, da ihre kleinen Tischgesellen sie permanent auf Trab halten? Wieso muss es für das Kind das aufwendige Clubsandwich mit Biopute und Benimmse bei Tisch sein, wenn man doch zu Hause in aller Ruhe ein paar Fischstäbchen in die Pfanne hauen und alles bequem vollsauen könnte? Warum geben Eltern viel Geld dafür aus, sich von ihrem übermüdeten Nachwuchs permanent unterbrechen zu lassen, Mitgäste zu irritieren, Kellner in stille Raserei zu versetzen und nicht einmal miteinander ein gepflegtes Erwachsenengespräch führen zu können? Warum?
Erst kürzlich haben sich mir diese Fragen wieder drängend gestellt. Ich war mit Stefan beim Italiener. Es war unser Kennenlerntag. Der liegt nun auch schon mehr als zwei Dekaden zurück, sodass wir uns nicht unbedingt getroffen haben, um Neuigkeiten auszutauschen. Geplant war eine Art Abendgeplänkel bei gutem Essen und Wein. Doch selbst wenn es etwas Wichtiges zu bereden gegeben hätte – nichts wäre so interessant gewesen, wie jene Familie zu beobachten, die gegen 21 Uhr das Lokal eroberte. Wie bei einer Varieténummer wurde die Tür von außen aufgestoßen und ein gigantischer Kinderwagen in den Gastraum bugsiert. Hinterher stolperten: ein Vater, eine Mutter sowie ein etwa zwei Jahre altes sehr niedliches gelocktes Mädchen. Zusätzlich zu allerlei Babytüchern, Schals und Jacken baumelte am Arm der Mutter eine Trageschale für Neugeborene, in der ein entsprechender Zeitgenosse lag und wie am Spieß schrie. Schnell war klar: Die vier hatten vor, diese Nacht ganz en famille direkt an unserem Nachbartisch zu verbringen.
Weil das Jüngste ja schrie, heulte auch die Ältere erst mal eine Runde. Die Eltern waren noch dabei, sich aus ihren zahlreichen Jacken zu pellen und ihr ganzes Equipment über den Raum zu verteilen, und zischten deshalb ihre Tochter an. Schhhhhhhhhhhh! Als endlich alle Platz gefunden hatten – also Mama und
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