Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
Vom Netzwerk:
noch viel freier miteinander umgehen. Einfach ein bisschen weniger Anspruch, ein bisschen weniger Forderungen. Warum ist es so schwer, dem anderen seine Freiräume zu lassen? Es gab kaum eine Frage, die mich zu dieser Zeit weniger beschäftigte. Unsere Leben unterschieden sich nun durch ein großes Wort: Verantwortung. Die für sich selbst steckt sie locker in ihre Handtasche, ich habe so viel davon, dass ich gar nicht mehr weiß, in welchem Rucksack noch Platz dafür sein soll.
    Doch Aljonuschka hat es deshalb nicht leichter. Zu dieser Erkenntnis zu gelangen kostete mich all mein Einfühlungsvermögen, und nicht selten war ich kurz davor, vor Wut, Neid und Eifersucht zu zerbersten. Sie macht jeden Tag Party und ist unwahrscheinlich begehrt. Aber sie weiß nicht, wo sie hin soll. Aljonuschka hat eine abgeschlossene Ausbildung, einen Mac und sonst nicht allzu viel, worauf sie achtgeben müsste oder womit sie ihre Zukunft gestalten könnte. Mein Leben hingegen verläuft derzeit nach einem strengen Zeitplan – wenn man mich fragt, nach einem zu strengen. Wie gerne würde ich hin und wieder das Verlangen spüren, meine Freunde anzurufen, sie zu sehen und vielleicht sogar ein Glas Wein mit ihnen zu trinken. Eigentlich immer. Doch wonach streben wir, wenn nicht danach, jeden Tag auf die nächste Windelladung zu warten?
    Als sie mich neulich besuchte, verkündete sie stolz: »Hanna, ich weiß jetzt endlich, was ich werden will: Künstlerin.« In diesem Moment dachte ich: »Dann werde ich eben Teilzeitmutter!«, es schwang etwas Bitterkeit mit, da ich mir eingestehen musste, dass ich solche Sprünge nicht mehr ohne Weiteres machen konnte. Ich war so neidisch, dass sie das einfach so sagen konnte. Dass sie diesen Unsinn niemandem erklären musste außer sich selbst. Und dass sie das, wenn sie es wirklich wollte, sogar machen konnte. Denn ohne Verantwortung für andere kann man auch mutig sein und richtig echten Quatsch machen. Ich spürte, dass da etwas in mir brodelte, das nicht gut für mich war. War ich wirklich schon so spießig, dass ich anderen ihre phantastischen Träume nicht gönnte, geschweige denn, sie dabei unterstützte?
    Bevor die Künstlerin zur Pädagogin werden wollte, fuhr sie noch für einen Monat nach Kuba zur Selbstfindung (»Kuba? Was willst du denn da?«). Währenddessen machten Oscar, Sophie und ich unseren ersten Familienurlaub. Es ging nach Portugal in ein im Internet empfohlenes Urlaubsresort mit zwei Pools, anlageninternem Supermarkt, Friseur, Wäscherei und Bankautomat, alles schön, sicher und sauber. Es war trotzdem toll, klar. Sonne, Wasser, hin und wieder nach Lissabon düsen und sich ohne äußere Einflüsse zu dritt Zeit füreinander nehmen. Eines Abends schrieb mir Aljonuschka aus Kuba, sie habe heute den schönsten Tag gehabt. Musik, Real Life, Tattoos und selbst gebrannten Rum. Da flammte es schon wieder auf. Das stechende Gefühl. Das Gefühl, etwas zu verpassen. Das Gefühl, das kleine Kinder haben müssen, wenn sie sich die Schaufel des Buddelkastennachbarn krallen und »Ich auch« sagen. Das Gefühl, mein Leben als Mutter nicht anzweifeln zu dürfen und trotzdem lieber selbst gebrannten Rum trinken zu wollen. Das macht mich wütend auf mich selbst. Warum werde ich nicht satt?
    Ich entwarf eine halb wütende Antwort, dass unser Urlaub auch toll sei, bäh. Sofort kam zurück: Super! Ich freu mich für euch! Aljonuschka schrieb, dass sie jetzt sogar ein Tattoo habe. Zwar sei sie beim Stechen ohnmächtig geworden, aber jetzt sitze eine Schildkröte mit roten Augen auf ihrem Handgelenk. Ich las es Oscar laut vor, eine Stichflamme schlug aus meinem Mund. »Was? Oh Mann, sie wird es so bereuen. Vor allem rot!« Der Satz stand im Raum. Sophie lag auf dem Bett und strampelte, Oscar zuckte mit den Achseln und spielte weiter mit ihr. Ich musste plötzlich ganz dringend raus. Die Worte hallten in meinem Kopf nach, ich fühlte mich auf einmal widerlich alt. Sie hatte sich einen Traum erfüllt mit dieser Reise, mit diesem Tattoo, mit diesem Selbstfindungstrip. So hatte sie es selbst genannt. Ich hatte mir einen Traum erfüllt mit dieser Reise, dieser Familie, mit dieser Selbstverwirklichung. War das wirklich mein Traum? Ich rannte zum Pool, sprang hinein und versuchte, so lange wie möglich unter Wasser zu bleiben. Ich sprang noch mal, ging unter die Dusche und versuchte, die Selbstzweifel abzuwaschen. Ich betrachtete mich im Badezimmerspiegel und sah nichts als Unbehagen. Müde Augen, ein von

Weitere Kostenlose Bücher