Als schliefe sie
mag Josef den Zimmermann nicht. Er hat sich Hörner aufsetzen lassen. Alle Propheten haben Frauen geliebt. Abraham, Noah, David und wie sie alle heißen. Und Adam? Sag mir doch mal bitte, warum Adam aus dem Paradies vertrieben wurde. Der Baum der Erkenntnis war ganz bestimmt nicht der Grund. Was glaubst du wohl, was die Erkenntnis ist? Die Erkenntnis ist Eva, also die Fick…!
»Bitte nicht dieses Wort!«
»Jetzt denk doch mal nach!«
»Aber der heilige Josef war nicht so, wie du sagst. Der heilige Josef hat den Engel im Traum gesehen. Der Traum hat ihm alles offenbart.«
»Jetzt sind wir wieder bei den Träumen. Milia, Liebling, ich habe nichts gegen den heiligen Josef. Er ist mir egal. Aber erklär mir doch mal bitte, wie er sich damit abfinden konnte!«
»Abfinden? Womit?«
»Der Vater des Jungen zu sein, obwohl er nicht sein Vater war. Im Grund weiß doch keiner, wer der Vater ist.«
»Weil er ein Heiliger ist.«
»Gott erhalte uns alle Heiligen!«
»Du hättest dich damit also nicht abgefunden?«
»Selbstverständlich nicht. Also, entweder ist der Junge mein Sohn oder er ist es nicht. Und jetzt verschone mich bitte gefälligst mit diesen Geschichten. Sonst fange ich noch an zu fluchen!«
Wie konnte der alte Mann die Geschichte glauben, die ihm von seiner junge Frau aufgetischt wurde? War sie es, die ihm reinen Wein einschenkte? Oder erschien ihm, wie in den Evangelien geschrieben steht, im Traum der Engel? Wie kommt ein Mensch dazu, seine Träume für bare Münze zu nehmen?
»Alle Propheten waren so«, sagte die heilige Nonne. »Aber vielleicht war es ja auch der Teufel«, schob sie nach und murmelte ein Gebet. Währenddessen wischte Saada der kleinen Milia die Stirn mit einem kaltfeuchten Tuch. Daran erinnerte sich Milia nicht mehr, dafür aber an den Traum. Wann immer sie ihre Mutter von der Situation damals erzählen hörte, hatte sie das Gefühl, sich selbst fremd zu sein. Im Alter von zehn Jahren bekam sie ein zweites Mal so hohes Fieber, dass einschließlich der heiligen Nonne alle dachten, sie würde sterben. Hoffnung gebe es nur in Gott, sagte der Arzt bei seiner Visite. Unter Gott verstand Saada nur eines: die Nonne. Also eilte sie zum Erzengel-Michael-Kloster und klammerte sich an das Gewand der Nonne. Diese aber reagierte nicht. Denn sie betete.
Immer wenn Schwester Mîlâna, das aufgeschlagene Triodion-Buch 11 vor sich, dastand und Gebete vorlas, insbesondere, wenn sie zum Sonnenuntergang für das Abendlicht betete, wurden die Anwesenden in der Kirche von einer Ehrfurcht erfasst, die etwas von träger Müdigkeit hatte. Wie eine Schaukel wiegte Mîlânas Stimme alle Ohren in himmlische Sphären. Andächtig, von seltsamen Klängen entrückt, sahen die Betenden, wie sich Federn auf die Körper der Heiligen legten. Schwester Mîlâna erlaubte in der Kirche kein elektrisches Licht, was für einen Dauerstreit mit Bischof Gerasimus sorgte. Der Bischof hatte nämlich angeordnet, dass beim gemeinsamen Gebet mit den Nonnen der Kronleuchter anzuschalten sei. Die Heilige betrachtete das als gotteslästerlich. Sie glaubte, dass die Engel Strom verabscheuten, weil sie selbst ausreichend Licht ausstrahlten. Seine Exzellenz aber beharrte auf seinem Standpunkt und verspottete die Nonne, weil sie an solche Ammenmärchen glaubte und sich als Heilige ausgab, in Anwesenheit der Gläubigen.
Nein. Der Grund für den Streit war nicht der Strom. Mîlâna hatte eine Lösung gefunden. Sie verlangte von den Nonnen, die Augen zu schließen, sobald das Licht angeschaltet wurde. »Wir schließen die Augen. Die Engel schließen die Augen. So ändert sich nicht das Geringste für uns.« Das eigentliche Problem war eine Frau von teuflischer Schönheit namens Marika Spiridon.
Marika war jene legendäre Gestalt, um die sich damals in Beirut viel Tratsch und Klatsch rankte. War sie tatsächlich, wie allgemein behauptet wurde, die Geliebte des Bischofs? Oder war sie nur eine Neuauflage der heiligen ägyptischen Mariam? Jener Mariam, die ihr Leben als Prostituierte begann, später aber durch den heiligen Antonius bekehrt wurde. Jeden Sonntagmorgen kam Marika zusammen mit drei Griechinnen zur Messe. Die vier Frauen nahmen am Abendmahl teil und gingen anschließend auf dem Pflaster der Sünde, al-Mutanabbi-Straße genannt, wieder ihrer Arbeit nach.
Was die Nonne aufbrachte, war nicht die allgemein bekannte Wahrheit. »Gott hat Einblick in die Herzen, er allein soll richten«, sagte sie knapp, wann immer sie auf die »Nutte«
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