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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Khoury
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angesprochen wurde, »die dem Bischof nachstellt, in die Spendenkasse einzahlt und der Sankt-Dschirjes-Kirche den größten Kronleuchter gestiftet hat, den sie in Beirut hat auftreiben können.« Schwester Mîlâna verbat sich, in ihrem Beisein den Ausdruck »Nutte« zu benutzen. »Gefallenes Mädchen« sagte sie stattdessen und bat Gott im gleichen Atemzug, all seine Untertanen zu beschützen. Doch das Maß war nun endgültig voll. Es hieß, und Gott allein weiß, ob es wahr ist, dass Seine Exzellenz eine Sondergenehmigung erwirkt hatte, die Marika und ihren Mädchen sonntags uneingeschränkte Bewegungsfreiheit in Beirut einräumte. Das osmanische Gesetz untersagte Prostituierten nämlich, sich außerhalb des Marktviertels aufzuhalten. Es ist anzunehmen, dass der von der französischen Mandatsmacht ernannte Gouverneur Beiruts, ein Abkömmling der griechisch-orthodoxen Familie Bastiris, der Ausnahmeregelung zustimmte, weil er dem Bischof einen Gefallen tun wollte oder weil er ein Kunde der besagten Dame war. Jedenfalls konnte Marika seither in jede Kirche gehen, in der Bischof Gerasimus am Sonntag den Gottesdienst leitete. Meist hielt Seine Exzellenz die Sonntagsmesse in der Sankt-Gregorius-Kathedrale ab, die Marika wegen ihrer Lage in der Nähe des Marktviertels auch schon vorher hatte betreten dürfen. Aus gemeindlichen Gründen aber predigte er auch in diversen anderen Kirchen in den Vierteln Musaitba, Aschrafîjja, Masra’a und Râs Beirut. Dank der neuen Regelung musste Marika nun keinen Sonntag mehr auf den Bischof verzichten. Das wiederum hatte zur Folge, dass die heilige Nonne immerzu Marikas Anblick ertragen musste. Sie brauchte dieses teuflische Weib nur zu sehen, um die Beherrschung zu verlieren und öffentlich jenen Ausdruck zu gebrauchen, den sie aus dem Mund anderer nicht duldete.
    »Seine Exzellenz kommt und bringt die Nutte mit. Ich werde heute nicht zur Messe gehen«, teilte sie den Nonnen mit und zog sich in ihre Zelle zurück.
    Was sich dann aber in der Zelle abspielte, als der Bischof sie betrat und Mîlâna in die Kirche hinunterbefahl, weiß keiner. Jedenfalls wurde die Gemeinde kurz darauf Zeuge einer bemerkenswerten Szene. Marika fiel vor der Nonne auf die Knie, und die Nonne erwiderte den Kniefall unter Tränen und hörte die ganze Messe über nicht auf zu weinen.
    Vierzig Jahre später sollte die Wahrheit ans Licht kommen. Doch keiner wagte zu veröffentlichen, was Iskandar Schâhîn herausfand. Iskandar Schâhîn, Mûsas ältester Sohn, von einer Schwäche für Literatur befallen, arbeitete in der unter anderem von Saîd Sabbâgha gegründeten Zeitung namens Ahrâr, einem Forum der freimaurerischen Bewegung, die damals in Syrien und im Libanon aktiv war, zu Säkularismus aufrief und den Klerus verspottete.
    Iskandar, ein tüchtiger Mann in den Zwanzigern, machte einen einmaligen journalistischen Fund. Durch Zufall lernte er eine alte Frau kennen, die in dem Viertel Furn asch-Schubbâk in der Nähe der Sankt-Elias-Kirche lebte und die besondere Fürsorge des Priesters Samîr Abu Hanna genoss. Der junge Journalist suchte das Haus des Priesters oft auf, weil er sich in dessen einzige Tochter verliebt hatte. Fûtîn aber sollte ihn zurückweisen und ihm das Herz brechen. Denn sie beschloss, Nonne zu werden. Doch das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls kam Iskandar dahinter, dass es sich bei der alten Frau um Marika Spiridon handelte und dass die ehemalige »Grande Dame« des Marktviertels sich am Ende ihrer Tage dem Gebet und der Buße verschrieben hatte.
    Er besuchte sie, ausgerüstet mit Informationen über ihre Beziehung zu Bischof Gerasimus, die er von Khawâdscha Saîd Sabbâgha erhalten hatte, und bekam erstaunliche Geschichten zu hören. Über seine Tante Milia und über unglaubliche Einzelheiten eines Wunders, vollbracht von einer gewissen Nonne, durch das die zehnjährige fieberkranke Milia vom Tod gerettet wurde.
    Marika geizte nicht mit Auskünften. Sie erzählte Iskandar alles, was er wissen wollte. Ihre Beziehung zu dem Bischof sei, so ihre Worte, etwas ganz anderes als die zu anderen Männern gewesen.
    »Ich bin Griechin«, sagte sie. »Wir sind ein Volk, das überall in der Welt verstreut ist. Die Spiridons sind eine uralte griechische Familie. Wir stammen aus Istanbul. Zu diesem Gewerbe bin ich nicht zufällig gekommen. Nein, dies ist bei uns ein über Generationen vererbter Beruf. Meine Mutter übte ihn aus, meine Großmutter und meine Urgroßmutter. Damals stellte das kein

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