Als schliefe sie
schaffen machten, um den Eindruck zu erwecken, dass das Schlafmittel zu wirken beginne. Da habe die Massage andere Bahnen eingeschlagen. Unverzüglich sei sie aufgesprungen und habe Zeter und Mordio geschrien. Seither kursierten allerlei Geschichten. Geschichten über die beiden Ärzte und ihre gemeinsame Ehefrau. Keiner hinterfragte Madame Martas Anschuldigung. Denn Madame Marta war eine respektable Dame und die Gattin des Khawâdscha Nasîh Schâmât. Und Khawâdscha Nasîh Schâmât, Besitzer eines Geschäfts für Seidenstoffe in einer kleinen Straße im Beiruter Hafenviertel, gehörte zu den Notabeln der Stadt. Außerdem war er Ratsmitglied der Griechisch-Orthodoxen Gemeinde. Insofern galt Madame Martas Wort als unanfechtbar.
Auch über die Frau, die mit den beiden Ärzten verbandelt war, zerriss man sich das Maul. Kati, so hieß sie, soll die Ehefrau des kleinen Schmächtigen gewesen sein. Und der soll sie unter Gewaltandrohung gezwungen haben, mit seinem Bruder zu schlafen.
»Das ist Sünde«, rief die Nonne entsetzt.
»Hat jemand die Geschichte von Kati aus erster Hand erfahren?«, wollte Nikola wissen.
»Gott bewahre uns vor allem Übel!«, sagte die Nonne.
Die beiden Männer seien, so behauptete Nikola, aus Damaskus hergezogen, um dem Gerede zu entgehen. Saada war der Ansicht, dass Kati die beiden Männer verpfiffen habe und Madame Marta daraufhin als Zeugin vorgeladen worden sei. Kati sei auf die Polizeiwache gegangen und habe vor dem diensthabenden Beamten ausgesagt, dass man sie mit zwei Männern verheiratet habe und sie dieses Leben nicht länger aushalte. Dann habe sie das Verbrechen nachgespielt. Verbrechen müssten nämlich immer nachgestellt werden, kommentierte Saada. Kati habe also mit zerzaustem Haar dagestanden und vorgemacht, wie ihr Schwager mit ihr schlief. Das Ganze habe auf Anweisung ihres Ehemannes stattgefunden. Ja, und nicht nur das, sondern sogar unter seiner Aufsicht. Es sei alles so furchtbar schlimm, habe Kati gejammert. Sie ertrage es nicht mehr. Sie wünsche sich den Tod. Im Übrigen habe ihr Mann ihr untersagt, Kinder zu bekommen. »Der Breitschultrige hat es mir verboten«, soll sie wörtlich gesagt haben. »Keine Ahnung, was er gemacht hat, mein Herr. Jedenfalls kann ich keine Kinder mehr kriegen. Ich weiß gar nichts mehr. Nicht, wessen Frau ich bin. Nicht einmal mehr, wer ich überhaupt bin. Außerdem schlägt er mich. Im Übrigen sind die beiden maßlos knickerig. Die sparen sogar am Licht. Solche Geizknochen sind mir im ganzen Leben noch nicht untergekommen. Sobald die Patienten aus dem Haus sind, wird das Licht ausgeknipst. Und wir hocken im Dunkeln. Nur eine einzige Kerze darf angezündet werden. Ich fühle mich dann wie blind. Alles ist schwarz, verwackelt und unwirklich.« Kati habe das Schwarz pantomimisch dargestellt. Sie habe die Augen geschlossen und die ganze Geschichte von vorne erzählt. Man habe sie vorerst auf der Wache behalten, weil sie aus Angst nicht nach Hause gehen wollte. Der Polizeibeamte habe sich auf Anweisung der Staatsanwaltschaft aufgemacht und die beiden Ärzte festgenommen. Sie sollen aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden sein, nachdem sich der französische Gouverneur eingemischt habe. Kati soll angeblich verrückt gewesen sein und sich Dinge zurechtgesponnen haben, die jeder Grundlage entbehrten. Aber im Grunde genommen kenne keiner die Wahrheit.
»Und dann?«, fragte Milia.
»Was weiß ich. Nur eines weiß ich mit Gewissheit, mein Kind. Nämlich, dass Gott uns gerettet hat. Was ohne seine Gnade wohl aus uns geworden wäre? Nicht auszudenken! Diese Kati ist zu den beiden gegangen, weil sie krank war. Sicher haben sie ihr irgendein Zeug eingeflößt. Dann haben sie sie geheiratet. Und am Ende war ihr Leben im Eimer.«
Saada stand auf, zückte ein Taschentuch und trocknete sich die Tränen. Auf wackeligen Beinen wankte sie in die Küche, kam mit einem Wasserkrug wieder, trank einen Schluck und forderte ihre Tochter auf, auch zu trinken.
Kati auf der Polizeiwache. Mit zerzaustem Haar habe sie vor dem Polizeibeamten gestanden und gegen die beiden Ärzte ausgesagt. Dann habe sie sich auf den Boden geworfen und demonstriert, wie die beiden Männer mit ihr schliefen. Sie auf dem Behandlungsstuhl zwischen zwei Männern, zappelnd wie ein Fisch, der soeben aus dem Wasser gezogen wurde, den Mund aufgerissen, japsend, fiel sie schließlich in einen tiefen Schlaf.
Die Geschichte sei erstunken und erlogen, sagte Milia zu Mûsa. Mûsa, gerade
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