Als unser Kunde tot umfiel
Impuls war: Alles abstreiten, aber dass das nicht funktionieren würde, war schnell klar. Ich war mir ziemlich sicher, dass das Controlling das verbockt hatte, und am liebsten hätte ich die der Chefin ans Messer geliefert. Aber das wäre ja letzten Endes doch auf mich zurückgefallen.
H: Wahrscheinlich. Ich erinnere mich da an einen ganz ähnlichen Fall. Die waren für den Zwischentransport von Arbeitsgenehmigungen zuständig, im Wert von mehreren tausend Euro pro Woche. Und plötzlich war eine Lieferung verschwunden. Da ging es heiß her. Da wurden Drohungen ausgestoßen und das Wichtigste war erst einmal, einen Sündenbock zu präsentieren, der geschasst werden konnte. Leider konnte man ohne den Buchhalter, den man kurzerhand gefeuert hatte, nur ganz schwer nachvollziehen, wo die Dokumente gelandet waren.
P: Na, das ist aber nicht die feine Art. Aber nachvollziehbar. Da ist sich jeder selbst der Nächste. Wenn ich so darüber nachdenke, ärgert mich das richtig. Das eigentliche Problem interessiert in dem Moment niemanden, Hauptsache man kommt mit heiler Haut davon.
H: Das stimmt allerdings. Dabei sind die meisten Leute eigentlich bereit, an einer Lösung zu arbeiten, aber das vergisst man unter dem Druck ganz schnell. Ich muss da immer an die Geschichte denken, die mein Personalmanagement-Dozent an der Uni über den Chef von IBM erzählt hat. Ein Nachwuchsmanager hat fünf Millionen Dollar in den Sand gesetzt und wartet im Vorzimmer auf sein Urteil. Nach einigen Minuten wird er in das Chefzimmer gerufen und tritt an den Schreibtisch des CEO. Dieser fragt ihn: „Und was soll ich jetzt mit Ihnen machen?“ Darauf der Jungmanager: „Wahrscheinlich feuern.“ Der CEO erwidert trocken: „Was? Nachdem ich fünf Millionen in Ihre Ausbildung investiert habe?“
P: Tja, so kann es auch gehen, ist aber nicht die Regel. Das Dumme ist ja, dass man meist bei irgendeinem wichtigen Meeting mit einer solchen Situation konfrontiert wird und häufig dann blinder Aktionismus ausbricht. Ich werde nie vergessen, wie ich als Stellvertretung in ein Meeting einer Gruppe Geschäftsführer, die Auslandsdependancen in der ganzen Welt leiteten, hineingerutscht bin. Plötzlich blickte der Bereichsvorstand, der vorher teilnahmslos gewirkt hatte, auf und machte den Zypern-Leiter vor allen anderen runter, weil der einen Fehler in seiner Abrechnung hatte. Der sollte dann gleich einen Maßnahmenplan präsentieren und erklären, wo das Problem lag. Keine erfreuliche Situation.
H: Oh ja, so etwas kenne ich. Da fällt es schwer, einigermaßen souverän zu bleiben. Und egal was man vorschlägt, es ist in dem Moment sowieso falsch. Man lässt sich dann ja auch häufig einschüchtern. Der Kunde droht, der Chef ist unzufrieden und ein Sündenbock muss her. Dabei geht es doch eigentlich darum, eine konstruktive Lösung zu finden. Aber das gerät schnell in den Hintergrund, wenn Emotionen hochkochen und die Marschrichtung in der Diskussion übernommen haben. Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwer, diese Situation in den Griff zu bekommen, wenn man sich an ein paar Grundregeln hält.
Houston, wir haben ein Problem – So fahren Sie den Karren noch tiefer in den Dreck
Fehler passieren. So weit, so schlecht. Doch nach dem GAU gibt es einige typische Verhaltensweisen, wie man die Situation noch deutlich verschlimmern kann:
„Problemlösungsstarre.“ Solange wir keine Lösung haben, geben wir auch keine Antwort, egal wie lange der andere schon wartet. Man verhält sich möglichst unauffällig, der Kunde oder der Chef könnten ja sonst auf die Idee kommen, nachzufragen, wie weit wir schon sind. Insgeheim gehen wir Sherlock Holmes gleich auf Fehlersuche, bis wir den Übeltäter entlarvt haben. Denn es ist ja hinlänglich bekannt, dass irgendwer hängen muss. Dieser Cheftyp gibt zwar keine Ruhe, bis der Verdächtige überführt und jeder Fehler aufgedeckt wurde. Das Problem dabei ist aber: Die eigentliche Lösungsfindung bleibt auf der Strecke. Und mit der eigenwilligen Kommunikationsstrategie werden Kunden und Chefs vor den Kopf gestoßen. Aber Hauptsache, der Fall wurde zu Ihrer Zufriedenheit aufgeklärt, oder?
„Ich bin unschuldig.“ Dieser Cheftyp verwischt zunächst einmal alle Spuren, so dass nicht einmal Horatio Cane ihn mit der Sache in Verbindung bringen könnte. Dabei geht es ihm vor allem darum, gut dazustehen. Seine Kollegen brüskiert er mit der Aussage, dass er ja schon immer mit so etwas gerechnet hätte und ein Zwischenfall nur
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