Als wir Roemer waren
plötzlich was gesehen. Die Käfigtür war überhaupt nicht zu, sie stand weit offen. Mir wurde schlecht, und es war, wie wenn ich keine Luft mehr kriege. Ich hab in sein Nest gegriffen, aber da war natürlich nichts, bloß leeres Stroh. Da hab ich geschrien, so laut wie ich konnte: »Mum, Mum, Hermann ist weg.« Ich wusste, was passiert war, es konnte gar nicht anders sein, und wie sie mit einem besorgten Gesicht reingekommen ist, hab ich gesagt, »der Käfig war offen, das war Gabrielle.« Mum hat die Augen zugemacht und gesagt, »das können wir nicht wissen, Lawrence, mein Spatz. Bist du dir sicher, dass du ihn nicht aus Versehen aufgelassen hast?«, aber so was hab ich noch nie gemacht. Ich dachte, »o nein, wo ist der arme Hermann, was, wenn Gabrielle ihn zerquetscht und in den Mülleimer geschmissen hat oder aus dem Fenster, und jetzt ist er ganz alleine auf der Straße und wird von einem Auto überfahren?«
Dann sind auch Klaudio und Tschintzia angekommen, sie haben gehört, wie ich geschrien hab. Klaudio hat echt ein besorgtes Gesicht gemacht und gesagt, »wir suchen
die Wohnung ab, er muss doch irgendwo sein«, und Tschintzia hat gesagt, »keine Angst, Lawrence, wir finden ihn schon wieder«, und sie hat gelächelt, aber ich hab ihr nicht geglaubt, ich dachte, »du bist immer noch ein böses Eichhörnchen.« Ich dachte, »wo steckt Gabrielle? Der lässt sich natürlich nicht blicken«, und dann hatte ich eine Idee, ich dachte, »die Heulsuse schnapp ich mir, den knöpf ich mir vor.« Also bin ich nicht mit den anderen in die Küche mitgegangen, sondern zu Gabrielles Zimmer gelaufen und hab die Tür aufgemacht. Ich hab gehört, wie die anderen umgekehrt und hinter mir her sind, aber das war mir egal.
Gabrielle saß auf seinem Bett, und fast hätte ich ihn einfach beim Kragen gepackt und verhauen, ich wollte es wirklich, ich dachte, »ich mach dir den Caligula«, aber da kam Mum schon hinter mir rein, und deswegen hab ich bloß gesagt, »was hast du mit Hermann gemacht?« Mum hat mich angeguckt, und dann hat sie ihn auf Italienisch gefragt, aber ich wette, sie hat die Frage geändert, weil sie nämlich viel länger geworden ist und Gabrielle sich nicht aufgeregt hat, er hat bloß mit den Schultern gezuckt und gesagt, »noh loh soh«, das heißt, »ich weiß es nicht.« Ich dachte, »doch, du weißt es, du böses verlogenes schreckliches Garkeintier Gabrielle«, ich dachte, »dafür krieg ich dich dran.«
Wir haben alles abgesucht, das Wohnzimmer und die Küche, das Badezimmer und das Schlafzimmer und auch Gabrielles Zimmer, aber wir haben ihn nicht gefunden, das wusste ich gleich, ich dachte, »gucken wir mal in den Mülleimer. « Aber dann gabs eine Überraschung, denn plötzlich kam Jemima angerannt und hat gesagt, »ich hab grad ein komisches Geräusch gehört, in unserem Bett«, und was soll ich sagen? Wie wir nachgeguckt haben, war Hermann tatsächlich da. Er war irgendwie zwischen das Seitenteil und die Matratze gekrabbelt, ich konnte ein kleines bisschen
von seinem Fell sehen, ihm war also doch nichts passiert, er war doch nicht zerquetscht worden. Ich sagte, »hurra hurra«, und Jemima sagte auch, »hurra«, und Mum hat sich richtig gefreut, und Klaudio auch, er sagte, »ich bin ja so froh«, und sogar Gabrielle hat gelächelt, aber das war natürlich nicht echt, sondern bloß so getan.
Klaudio hat die Matratze rausgenommen, und obwohl Hermann abhauen wollte, hab ich ihn erwischt, er ist mir fast durch die Finger geflutscht, und ich dachte »du willst wohl gar nicht mehr raus aus dem Schlafsofa«, und ich sagte, »von wegen.« Danach hab ich seinen Käfig ganz nah neben mich gestellt, damit ich nach ihm sehen kann, wenn ich in der Nacht aufwache, ob er noch da ist. Und wie wir endlich wirklich alle ins Bett gehen wollten, hab ich noch den Stuhl unter die Türklinke geklemmt, wie zu Hause, damit Dad nicht reinkann. Mum hat mich angeguckt und gesagt, »Lawrence, mein Spatz, ich glaube, das ist wirklich nicht nötig«, aber ich hab gesagt, »ich lass nicht zu, dass sich der Gabrielle hier reinschleicht und Hermann mitnimmt und ich ihn nie mehr wiedersehe«, da hat Mum nichts mehr gesagt und ist ins Bett gegangen.
Kaiser Domitian war dick, aber er hatte dünne Beinchen, und seine Zehen standen nach außen, so dass seine Füße wie Entenfüße aussahen, keiner mochte ihn leiden, weil er dauernd alle hinrichten lassen hat. Eines Tages hat ein Prophet eine Prophezeiung über ihn gemacht, und die war
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