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Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Kneale
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hatte den Kuchen in der Hand, und sie hat auf den Boden geguckt. Sie hat gesagt, »riech mal, Lawrence, mein Spatz. Das ist Gift.«
    Ich hab nichts verstanden. Ich hab dran gerochen und gedacht, »riecht vielleicht echt ein bisschen komisch.« Ich hab gesagt, »was meinst du damit?«, und da hat Mum ein bisschen geweint und gesagt, »Lawrence, mein Spatz, es tut mir ja so leid, ich will dich wirklich nicht damit erschrecken, aber ich hab eine solche Angst, ich hab es gestern rausgefunden, aber ich wollte es dir nicht sagen, und ich wollte es eigentlich auch selber nicht glauben. Aber du musst es wissen, zu deiner eigenen Sicherheit. Euer Vater ist hier in Rom. Er ist uns gefolgt. Es ist furchtbar. Ausgerechnet jetzt, wo wir uns grade ein bisschen eingelebt haben.«
    Irgendwo hat ein Auto gepiepst, dann war es wieder still, und ich dachte, »das Auto ist ganz weit weg«, und dann dachte ich, »hier stehe ich mitten in der Nacht mit Mum vor dem Kühlschrank.« Warum ich das gedacht hab, weiß ich auch nicht. Ich hab auf die roten Pünktchen geguckt und gedacht, »muss ich sterben, wenn ich die esse?«, und auf einmal wollte ich sie anfassen, das war dumm, ich wusste ja, dass das nicht geht. Ich dachte, »darum ist sie also immer stehen geblieben und hat um die Ecke geguckt, wie wir die Treppe runtergegangen sind, sie hat nach Dad Ausschau gehalten.« Meine Arme sind ganz schwer geworden, und ich hab gedacht, »das ist schrecklich, da sind wir so weit gefahren, damit wir in Sicherheit sind, und jetzt sind wir doch
in Gefahr«, und da bin ich plötzlich wütend geworden, ich hab gedacht, »wieso muss er uns immer hinterherkommen, wieso muss er den Kuchen vergiften und immer alles verderben. « Ich dachte, »ich hasse ihn total«, ich hab an sein Gesicht gedacht und an seine Wuschelhaare, die ihm wie eine Qualmwolke um den Kopf stehen, und am liebsten hätte ich ihm mit voller Wucht eine reingehauen, so feste, dass sein Gesicht verschwindet, dass es total zerschmettert ist. Aber dann ist was Komisches passiert, ich hab gedacht, »Augenblick mal«, und ich hab gesagt, »aber das kann nicht sein, Mum, er weiß doch noch nicht mal, dass wir hier sind.«
    Jetzt war Mum wieder aufgeregt, sie hat nicht mehr geweint, sie hat sich die Nase geputzt, ihre Augen waren frisch und munter, und sie hat gesagt, »komm mal mit.« Wir sind ins Wohnzimmer gegangen, ans Fenster, und ich dachte, »ist er da unten auf der Straße?«, aber wie ich rausgucken wollte, hat sie mich zurückgehalten und gesagt, »sei vorsichtig, Lawrence, mein Spatz«, und sie hat mich bloß um die Ecke gucken lassen. Sie hat gesagt, »da drüben, siehst du?« Es war ein anderes großes Haus, ein Stück weiter die Straße runter, genau wie unseres. Ich hab nichts verstanden. Mum hat gesagt, »siehst du die Fenster im obersten Stock, vorher waren die Fensterläden zu, jetzt sind sie offen, er ist da drin, er beobachtet uns. Ich hab ihn gesehen, ganz sicher. Das war gestern Abend, da war es genauso. Am Tag waren die Läden zu, am Abend offen.«
    Ich hab gesagt, »und war er es auch ganz bestimmt?«, und Mum hat mich angeguckt, wie wenn ich ein bisschen blöd bin, aber sie wollte nicht sauer werden, sie hat gesagt, »weißt du nicht mehr, das Auto, das gelbe Auto, es stand genau davor.« Ich hab gedacht, »aber, Mum …«, ich hab gesagt, »das war nicht sein Auto, es war anders«, aber sie hat gesagt, »natürlich war es nicht seins, aber das war doch
schon immer seine Lieblingsfarbe, und deswegen hat er am Flughafen ein gelbes gemietet. Er ist bestimmt mit Ryanair gekommen, die fliegen jetzt auch ab Schottland, das hab ich auf einem Plakat gelesen.« Ich hab gesagt, »aber du hast mir immer noch nicht gesagt, Mum, woher er wissen soll, dass wir hier in Rom sind.«
    Da ist Mum ärgerlich geworden, ihre Arme sind hochgegangen, wie wenn sie kleine Bälle in die Luft wirft, und sie hat gesagt, »von Franssien natürlich. Sie hat es ihm gesagt. Ist dir nicht aufgefallen, wie seltsam sie zu uns war? Sie hasst mich, das weiß ich genau.« Dann hat sie geflüstert, »das hab ich dir noch nie erzählt, Lawrence, weil ich dich nicht aufregen wollte, aber als ich vor all den Jahren hier gewohnt habe, hat Franssien deinen Vater sehr gern gehabt.« Ich hab gesagt, »du meinst, sie wollte ihn heiraten?«, und Mum hat gesagt, »genau. Und deswegen hat sie was gegen uns, sie hasst mich, weil ich ihm weggelaufen bin, weil ich mit euch weggelaufen bin, deswegen hassen sie uns

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