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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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entschieden, ihren Weg künftig alleine zu gehen. Das Midnight Ballet war tot. Antoney Matheus hatte seine Anziehungskraft verloren. Sie aber würde an diesem Abend so hell strahlen wie noch niemals zuvor.
    Antoney fand sich schließlich um sieben Uhr ein – eine halbe Stunde später sollte sich der Vorhang heben – mit wackeligem Gang und einer Alkoholfahne. Simone schimpfte auf ihn ein, während er sein Kostüm anlegte. Als er seine Socken auszog, hätte er beinahe das Gleichgewicht verloren, und aus dem Eyeliner wurden zwei dicke verschmierte Balken, die seine Lider niederdrückten. Sein Blick war scheußlich.
    »Antoney, denk an die Minute«, sagte The Wonder, aber diesmal blieb kaum eine. In den Sekunden, bevor die Lichter erloschen, stritt Antoney noch mit Simone. Erst inmitten von »Shango« ging es ihm auf. Dass dies ein Ding der Unmöglichkeit war, er nicht wie üblich, eine Viertelstunde zuvor, verstummt war – dass er zum ersten Mal, seit es das Midnight Ballet gab, nicht seine Stimme verloren hatte.
    Carla saß verabredungsgemäß im Zuschauerraum. Auch Ekow war anwesend, zu Simones moralischer Unterstützung. Sie liefen sich in der Lobby in die Arme, inmitten einer beachtlichen Menge von Zuschauern, die größtenteils aus dem Viertel stammte und die Compagnie am letzten Abend auf heimischer Bühne empfangen wollte. Ekow hatte Carla lange nicht gesehen und bemerkte als Erstes, wie verunsichert sie wirkte. Ihr Gruß war scheu und flüchtig, als ob sie Ekow kaum kennen und auch nicht erwarten würde, dass er sich mit ihr unterhalten wollte. Als sie mit einem gemeinsamen Bekannten sprachen, fiel es ihr sichtlich schwer, Blickkontakt zu halten – sie starrte mehr, als dass sie schaute, bis ihr Gegenüber unangenehm berührt zur Seite sah. Das bestürzte Ekow sehr, denn Carla war im Umgang mit anderen immer so unbefangen gewesen. Sie saßen nebeneinander in der vierten Reihe.
    Rileys Platz war ziemlich weit hinten. Er sah sofort, dass Antoney betrunken auf die Bühne kam, obwohl es wahrscheinlich nicht jeder bemerken würde. Er wirkte kraftlos, gewöhnlich. Er war schwerfällig. Seine chamäleonhafte, charismatische Leichtigkeit war dahin und die typische, wild donnernde Drehung ein getrampelter Kreis. (»Was ist denn mit Antoney los?«, flüsterte Ekow Carla zu.) Riley setzte sich instinktiv in seinem Sitz vor und versuchte, Antoney eine telepathische Botschaft zu senden, eine Kraft oder Konzentration. Doch als Antoney aufging, dass er seine Stimme nicht verloren hatte, vergaß er seine Schritte, überspielte unbeholfen die Fehler und wäre einmal beinahe gestolpert. Riley sehnte das Ende des Stücks herbei. Der Applaus war verhalten. Doch es wurde noch schlimmer. Beim nächsten Stück gab es ein Problem mit dem Licht, und zu Simones unverhohlener Beschämung brach Antoney den Tanz ab und wandte sich über das Publikum hinweg an den Beleuchter. »Erst das blaue, klar?«, rief er offensichtlich verärgert, die Augen gegen das Licht geschützt. »Okay, wir fangen noch mal an.« Er und Simone gingen von der Bühne und begannen den Tanz von Neuem.
    In der Pause ging es hoch her. »Man unterbricht doch nicht die Show, niemals!«, fauchte Simone und mühte sich wutentbrannt in ihre Federn. »Was immer passiert, die Show muss weitergehen. Weißt du das denn nicht? Hast du den Verstand verloren? Das war der peinlichste Moment in meinem ganzen Leben!« Währenddessen setzte Antoney seinen Flachmann an den Mund und ließ eine wütende Schimpftirade auf The Wonder los, als dieser versuchte, ihm den Alkohol zu entreißen. Mittlerweile hatten Audrey Callaway und Gwen das Theater erreicht.
    »Bird« stellte das Vertrauen des Publikums wieder her, und auch Carlas. Als Simone ihren zierlichen Kopf mit so viel Sanftmut und Unschuld zu The Wonders Flötenspiel bewegte, kam Carla zu der Überzeugung, dass sie sich das mit der Affäre nur einbildete. Sie schämte sich für ihren Argwohn und kämpfte während des andauernden Applauses gegen die Tränen an. Doch bei »Blues House« kehrte das Misstrauen wieder. Das Stück war flach und unbeholfen, ein mühsam gestückeltes Grabschen. Simone hatte keine Chance gegen Antoney, obwohl sie ihr Bestes gab und versuchte, die Schwächen auszugleichen. All das aber spielte für Carla keine Rolle. Sie sah nur, dass Simone und Antoney etwas zusammen tanzten, was Antoney einst zu Carla zurückgeführt hatte, wenn er verschwunden war. Ihr Herz brach, als er Simone in das rote Licht hob,

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