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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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weiterging. Aber die Orchideen waren nicht aus der Erde gekommen. Bei jedem ihrer Besuche hatte sie nach ihnen gesehen, den ganzen Mai, Juni, Juli über – nichts. Eine widerspenstige Blume bekümmerte sie. Dafür gab sie sich die Schuld, irgendetwas hatte sie falsch gemacht. Dabei hatte Denise sie gegossen, gehütet, massiert, mit ihnen gesprochen, ohne Erfolg. Anfang August hatte sie die Orchideen aufgegeben, es jedoch auch nicht fertiggebracht, sie auszugraben und eine andere Blume zu setzen.
    Jetzt aber sah sie auf das Beet und erblickte drei selbstbewusste, dunkelviolette Orchideen. Es verblüffte sie, dass sie die Blumen nicht gleich bei ihrer Ankunft bemerkt hatte – so, als hätten sie nicht bemerkt werden wollen. Ihr seid ja doch gewachsen, dachte sie. Von ganz alleine seid ihr gewachsen. Sie hatten ihr etwas zu sagen. Sie hatten auf den richtigen Moment gewartet. Denise hockte sich ins Gras und legte ihre Tasche ehrfürchtig nieder. Sie hielt das Gesicht nahe genug an die Blumen, um ihren Geruch wahrzunehmen, und lauschte.
    »Ich sag es ständig , kopiert nicht immer die Amis. Nutzt doch, was ihr in den Genen habt, Mann. Ich bin diese halbgaren Tunes echt leid. Ich bin diese Bequemlichkeit leid. Ich mach das nicht mehr mit, ernsthaft. Guckt euch meinen Roots Manuva an. Der macht sein eigenes Ding, hat seinen eigenen Stil, und zwar deshalb, weil er bei sich selbst sucht, in seinem eigenen Laden , klar, und sagt, wie es ist – Lucas, jetzt klammer nich und gib den Pot schon weiter, Mann – aber versteht ihr, was ich meine? Funky DL is nicht aus New York, was soll dann der falsche Akzent?«
    »Genau, wie Westwood.«
    »Genau, Crow. Er ist ein Arsch – aber Westwood ist cool, der hat es drauf.«
    Der Sitzsack war schwammig und flüsterte. Er enthielt eine Unmenge schwammiger Kügelchen. Wie viele Kügelchen waren in so einem Sack? Hatten die Kugeln Gedanken? Unterhielten sie sich flüsternd darüber, wie es da drinnen so war? Lucas ließ den Kopf in das große schwammige Etwas auf Jakes Boden sinken. Jakes Zimmer war ganz der Förderung von Musik gewidmet, zwei sperrige Mischpulte standen an der Tür, an einer Wand reihte sich die bedrohte Spezies Vinyl auf. Jake hielt die Tatsache, dass sein Studio (sein richtiger Job) nur wenige Häuser von dem Ort entfernt lag, an dem Bob Marley »Exodus« aufgenommen hatte, für mystische Vorhersehung. Es war Dienstagabend. Roots Manuva kam aus den Boxen. Es roch nach Toast. Wieso roch es nach Toast? Ich will das Leben eines überflüssigen Menschen leben , hatte Vaslav einst gesagt.
    »Ich will den heimischen Sound, Leute, den heimischen Sound.« Jake war aufgestanden.
    »Aber Biggie, der is cool. Pete Rock. Scarface!« (Wie hieß der Typ noch mal, der da grade sprach? Nigel? Deshalb roch es nach Toast. Der Typ machte Toast.)
    »Hör zu«, sagte Jake. »Das Einzige, was uns die Yanks voraus haben, sind Geschichte und Idole.« Weiter ging’s. »Dabei sind wir, wir sind die Geschichte, kapiert? Wir sind das Schwarz und Weiß von morgen. Kannst du ruhig aufschreiben, wenn du willst, ich bin großzügig mit meinen Lyrics. Luke, Mann, her mit dem Pot.«
    »Bro, was soll’s sein? Marmite oder Marmelade?« Nigel hatte ein entenartig hängendes Kinn und war der kleinste Typ, den Lucas jemals gesehen hatte. »Gib dem Kerl bloß kein Marmite«, sagte Jake. »Erwähn es nicht mal. Luke, nein, sag es nicht.« (Die übliche Ansage zum Thema Marmite lautete: Das salzige, schwarze Zeug da soll Sirup sein? Sirup ist süß, außerdem ist das eh was für blöde Kids, und außerdem fühl ich mich davon irgendwie leer, als ob man bei ner Erkältung auf Grütze rumkaut.)
    »Was ist denn mit Marmite?«, fragte MC Crow, der in seinem Trainingsanzug auf dem Bett hockte und einen neuen Joint drehte, auf einem Plattencover – wie hatte Touch so richtig in seiner Hymne auf das gute alte Vinyl geschrieben? »Versucht mal, auf einer CD -Hülle einen Joint zu bauen.« Es gab Skunk, und das mochte Lucas nicht wirklich, denn bei den wenigen Malen, als er davon etwas geraucht hatte, war er regelrecht paranoid geworden, doch es gab nichts anderes, also dann, scheiß drauf! Formen, Gedanken, Kollisionen. War sein rechter Fuß etwa größer als der linke? Bewegten sich die Kügelchen in dem Sitzsack von selbst? War Riley zu Hause? »Oh ja, Marmelade«, sagte er.
    Am Vortag hatte Denise das fünftägige Schweigen beendet. Sie hatte mit ihm gesprochen, kurz vor ihrem Aufbruch zur Arbeit, was

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