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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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von sich fort, damit ihr das Wasser nicht auf die Schuhe tropfte. Ihre Kundinnen, zwei Frauen, sahen hingerissen zu; sie wechselte, während sie die Blumen einwickelte, einige Worte mit ihnen. Bei der Heilsarmee war es großartig gelaufen. Sie hatte gleich im Anschluss den Auftrag erhalten, einen sechzehnten Geburtstag im Amadeus Centre in Little Venice auszustatten, und sie hatte Lucas vorgeschlagen, ihn als Assistenten anzuheuern. Er fühlte sich überfahren und bemuttert. Er war doch kein Blumenjunge. Und ihr Junge schon gar nicht.
    Er und Riley waren Partner geworden, wie er es nannte, Teilhaber im Retro-Business. Er ging zweimal, manchmal noch öfter in der Woche zu ihm, statt zu West . Wenn er sich bei West überhaupt blicken ließ, in einem müden Versuch, sein Interesse an einer Anstellung zu bekunden, wurde er wie ein ehemaliger Angestellter behandelt, der gerade mal vorbeischaute und ansonsten niemandem fehlte. Finn fragte auch schon lange nicht mehr »Was macht eigentlich? – Simone de Laperouse.«
    Bei jedem Besuch wirkte Rileys Haus anders. Der Korridor, der zum Arbeitszimmer führte, so schilderte Lucas es Jake, war immer noch bedrückend und düster, aber die Türen zu den anderen Zimmern standen neuerdings offen und ließen mehr Licht herein, mit Ausnahme einer Tür, der gleich neben dem Arbeitszimmer. Auch roch es frischer und weniger stickig, und Riley hatte sich einen neuen Schreibtischstuhl gekauft. Er schlief in seinem Wohnzimmer, auf einem Futon am Fenster, mit Blick auf den uralten Fernseher. Seine Mahlzeiten nahm er an einem Tisch in der Küche ein, alles Übrige spielte sich in Arbeitszimmer und Garten ab. (Bei der Gartenarbeit trug Riley Handschuhe und einen blauen Overall.) Er war immer noch distanziert, stets auf der Hut, aber er schien Lucas gerne in seiner Nähe zu haben. Er gab ihm Passagen seines Buches zu lesen, die in dem gleichen eleganten Stil wie seine Artikel geschrieben waren und Antoney im Licht einer mythischen, heroischen Romanfigur erstrahlen ließen. Lucas hörte, wie Antoney durch die Striche von Rileys Tinte hindurch atmete und dachte. Er las die Zeilen immer wieder, las sie, bis sich die Worte von den Seiten lösten und die Luft mit Antoneys Stimme sprach. Hinzu kamen die vielen Fotografien – eine von Antoney und Carla mit dem jungen Herbie Hancock, andere mit Joan Plowright und Josie Woods – und die vielen Zeitungsausschnitte, die Lucas alle noch nicht kannte. Manchmal schien es ihm, als würde er verblassen, während Antoney an Kontur und Farbe gewann. In solchen Momenten wandte er sich vom Archiv ab und schaute durch Rileys Bücherregal. Dort war er auch auf Nijinskys Biografie gestoßen. Weil ihm Simone von Oscar und dessen Bewunderung für den Tänzer erzählt hatte, nahm er das Buch von seinem Bord. Er verlor sich in einer Welt aus Krinolinen und Bundfaltenhosen, Rüschen und Gehröcken, er versank im Schnee von St. Moritz. Er las auf dem Rasen, in Rileys Garten. Es wurde die Hintergrundkulisse zu Antoneys Leben.
    Wenn Lucas las, blieb Riley immer in der Nähe, durchforstete das Archiv, wählte aus, was sich Lucas anschauen durfte, und besah Dinge, die er selbst lange nicht betrachtet hatte. Lucas’ Erscheinen habe dazu geführt, dass auch er, Riley, neue Entdeckungen machte, behauptete er, aber es war wohl eher so, dass er Lucas überwachte und nur ausgewählte Sachen zeigte. Auch war die Schachtel mit den Briefen nach den ersten Besuchen verschwunden, nachdem Lucas gefragt hatte, ob er einen der Briefe lesen dürfe. (Da hatte Jake zum ersten Mal argwöhnisch aufgehorcht.) Riley hatte gesagt, die Briefe seien privater Natur und nicht für Dritte bestimmt. Er arbeitete niemals an seinem Buch, wenn Lucas da war, doch angeblich sichtete er seine Notizen, machte er wieder Fortschritte. Lucas erklärte sich Rileys Neigung, anderen körperlich zu nahe zu kommen, so als hätte er kein Empfinden für den Intimabstand oder aber Sorge, man könnte ihn nicht verstehen, mit einem Mangel an zwischenmenschlichem Kontakt. Wie bei ihrer ersten Begegnung vermutet, hatte Riley keine Kinder und auch nie geheiratet, und offenbar auch kein Sozialleben. Manchmal, wenn Lucas von seiner Lektüre aufsah, ertappte er Riley dabei, wie er ihn mit rätselhaftem, beinahe leidendem Ausdruck musterte. Er sagte Lucas, dass er die Augen seines Vaters habe, ansonsten aber gebe es keinerlei Ähnlichkeit. Über Carla sprachen sie kaum. Riley behauptete, dass er sie nicht sehr gut gekannt habe

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