Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
Vom Netzwerk:
brachte ihr Dekolleté und ihre Arme vorteilhaft zur Geltung. Tatsächlich hatte Hannah zuvor noch nie ein schulterfreies Kleid getragen. Sie dachte ernsthaft darüber nach, es wieder zu tun.
    So kokett, wie sie bisher wohl niemals gesprochen hatte, sagte sie: »Du findest also, ich sollte nach Chicago ziehen?«
    Er lächelte. »Ich finde, du solltest nach Chicago ziehen.«
    »Wozu?«
    »Um das zu tun, was die Menschen überall auf der Welt tun. Arbeiten. Essen. Sex haben. Musik hören. Bloß, dass dort alles noch viel mehr Spaß macht.«
    |272| »Dann bin ich dabei«, sagte Hannah.
    »Echt?«, erwiderte Henry. »Wehe, wenn nicht.«
    Je später es wurde, desto mehr drängte sich die Vorstellung auf, dass der Abend zwangsläufig mit einer physischen Annäherung enden müsse, was allerdings rein logistisch kaum zu bewältigen war – sein Hotel lag in der Innenstadt, während sie mit ihrer Mutter und Frank in die Vorstadt zurückfahren sollte. In ihrer Familie wusste jeder, dass Henry ein Ex-Freund von Fig war, was Hannah in Erklärungsnot bringen konnte. Draußen vor dem Restaurant umarmten sie sich – Hannahs Mutter und Frank warteten bereits im Auto –, Henry gab ihr einen Kuss auf die Wange, und sie dachte, so wird es sein, wenn wir erst verheiratet sind und an diversen Bahnhöfen oder Flughäfen Abschied nehmen. Und so spielte es fast keine Rolle, dass es nur dabei blieb. Als sie während der Autofahrt auf der Rückbank saß, krampfte sich ihr Herz zusammen, weil sie ihn so sehr mochte.
    Was könnte Hannah schon daran hindern, diesen Schritt zu unternehmen? Da Fig nun mit Zoe verheiratet war, würden sie und Henry bestimmt nicht wieder zusammenkommen; sie waren endgültig und für alle Zeiten auseinander. Und wenn es Zoe gelungen war, Fig für sich einzunehmen, obwohl sie nicht einmal das richtige
Geschlecht
hatte, lag es vielleicht auch im Bereich des Möglichen, dass Hannah und Henry irgendwann ein Paar werden. Was Zoe und Fig widerfahren war, hatte etwas zutiefst Ermutigendes. Hannah schöpfte Hoffnung daraus.
    Von den fünf gemeinnützigen Stiftungen, bei denen Hannah sich in Chicago bewarb, lud sie eine – die pädagogische Außenstelle eines Kunstmuseums mittlerer Größe – zum Vorstellungsgespräch ein. Ende Juli flog Hannah hin, das Gespräch lief gut (zwischendurch war sie in Gedanken schon beim Abend, den sie mit Henry verbringen sollte), |273| und dann aß sie mit ihm und seinem Freund Bill zu Abend, und wieder war es so schön und vertraut. Zu dritt besuchten sie ein Billardcafé an der Lincoln Avenue und spielten sechs Stunden Pool und auch Dart, Henry zeigte sich ziemlich anhänglich, Hannah schlug sich wacker beim Dart, und als sie nach ihrer Rückkehr nach Boston die Zusage erhielt, sprach im Grunde nichts dagegen. Dr. Lewin hatte nichts einzuwenden – zunächst hatte Hannah mit Einwänden gerechnet, später wusste sie allerdings nicht mehr, warum.
    Gestern, nach ihrer letzten Sitzung, die Dr. Lewin um unerhörte acht Minuten überzogen hatte, stellte Hannah ihr einen Scheck aus, der mit zwei weich gezeichneten, fröhlich spielenden gelben Labradorwelpen bedruckt war, und zwar im »Zahlbar an«-Feld. »Mir ist klar, dass es Ihnen egal sein dürfte«, sagte Hannah, »aber da ich solche Schecks sonst nie verwende, will ich bloß sagen, die habe ich nur, weil mir die anderen ausgegangen sind und es sich nicht gelohnt hätte, ein neues Scheckheft zu bestellen, weil ich in Chicago ja ein neues Konto eröffnen werde, darum hat man mir hier noch ein Musterheft überlassen. Sehen Sie, meine Adresse steht gar nicht drauf.« Hannah riss den Scheck heraus und streckte ihn Dr. Lewin hin, die ihn nach einem flüchtigen Blick entgegennahm. Dann streckte ihr Hannah das ganze Heft hin: Auf dem obersten Scheck war ein Orang-Utan abgebildet, der sich an den Kopf griff und seine rechte Achsel stolz zur Schau stellte. »Schauen Sie«, sagte Hannah. »Es geht noch schlimmer.«
    »Hannah.« Dr. Lewin war aufgestanden, in ihrer Stimme klang Sympathie an und eine Art Warnung. »So, wie ich dich kenne, würdest du niemals Schecks mit putzigen Tierchen anfordern, das ist doch klar.«
    Hannah stand ebenfalls auf. Hätte sie für Dr. Lewin ein |274| Geschenk besorgen sollen? War es für Patienten üblich, sich mit einem Geschenk zu verabschieden? Pralinen wären vielleicht das Richtige gewesen, oder ein Topf Geranien. »Danke, dass Sie mich seit meiner College-Zeit behandelt haben«, sagte Hannah. Der Satz war so absurd

Weitere Kostenlose Bücher